Ob als Unterstützung gegen Depressionen und Essstörungen oder als Coach für Meditation und Achtsamkeit – Apps für mentale Gesundheit liegen im Trend.
Fast 39 Prozent der Frauen in der Schweiz haben sich 2021 im Verlauf von vier Wochen ständig oder zumindest gelegentlich entmutigt und deprimiert gefühlt. Bei Männern sind es mit knapp 27 Prozent zwar deutlich weniger, wie aktuelle Erhebungen des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums zeigen, doch die Zahlen belegen klar, dass psychische Gesundheit ein dringlicher werdendes Thema ist.
Die Menschen scheinen dies ernst zu nehmen: Sich um sich selbst zu kümmern ist heute ein Thema. Zumindest deutet dies die schier explodierende Menge an Apps zu psychischer Gesundheit – Stichwort «Mental Health» – an. Diese sollen eigene Verhaltensmuster erkennen und deuten können und dabei helfen durchzuschnaufen, Dampf abzulassen und Emotionen festzuhalten. So zumindest die Versprechen solcher digitaler Anwendungen.
Um gute Angebote von schlechten zu unterscheiden, kann ein erstes Indiz das Ranking bei den Downloads sein. Besser aber sind wissenschaftliche Versuche, Nutzerinnen und Nutzern handfeste Kriterien an die Hand zu geben. In einer grossen Literaturstudie haben Forschende im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit die drei Faktoren zusammengetragen, die für Qualität stehen. Gut gemachte Apps, die von den Nutzerinnen und Nutzern regelmässig gebraucht werden und zu Verhaltensänderungen beitragen, haben demnach gemeinsam, dass sie …
Als Anhaltspunkte sind solche Kriterien hilfreich. Je nach individuellem Ziel lohnt es sich aber, genauer hinzusehen.
Eine App hilft nur, wenn sie auch genutzt wird. In Studien haben wir festgestellt, dass Menschen, die ein gewisses Level an Leidensdruck erreicht haben, motivierter sind, tatsächlich etwas zu ändern und sich von einer App unterstützen zu lassen. Wenn der Leidensdruck fehlt, weil man sich zum Beispiel nicht depressiv fühlt, wird man keine App verwenden. Denn dann gibt es ganz einfach keinen Grund dafür.
Die Chance, dass eine App gut wirkt, steigt, wenn eine Person eine positive Erwartung damit verbindet – wenn sie also daran glaubt, dass ihr etwas helfen kann. Und dass sie selbst dazu beitragen kann, dieses Ziel zu erreichen. Der Wunsch zu Veränderung muss aber da sein. Grundsätzlich ist es eine gute Sache, dass wir mit niedrigschwelligen digitalen Angeboten auch Menschen erreichen, für die eine Sprechzimmertherapie nie infrage käme.
Wenn der Indikationsbereich eingeschränkt ist – wenn also transparent gemacht wird, in welchem begrenzten Bereich eine App hilfreich sein kann –, ist das ein Zeichen für Qualität. Gibt es vielleicht sogar Kontraindikationen, die gegen die Nutzung der App sprechen? Etwa dass eine App nicht für akute suizidale Krisen geeignet ist. Wenn sie dagegen alles verspricht, ist das eher unseriös.
Viele Anwendungen versuchen wissenschaftlich nachzuweisen, dass sie einen Nutzen haben. Die breite Masse in den App Stores tut dies aber nicht. Die Föderation Schweizer Psychologinnen und Psychologen hat Qualitätsstandards für Online-Interventionen entwickelt, an denen man sich orientieren kann. Neben den klar benannten Grenzen, wofür eine App geeignet ist, ist es vor allem Transparenz: Wer steckt hinter einer App, welche Expertise? Welche Kosten kommen auf mich zu? Ausserdem natürlich Vertraulichkeit und Datenschutz: Es sollten nur Daten abgefragt werden, die zur Nutzung der App notwendig sind – und die dürfen natürlich nicht weitergegeben werden.
Wenn sich mein Zustand durch die Nutzung verschlechtert und ich nicht von einer Fachperson begleitet werde. Das kann zum Beispiel in der Behandlung von Angststörungen oder zeitweise auch in einer Psychotherapie passieren. Dann ist es aber wichtig, dass mir eine Fachperson zur Seite steht.