Ein übergewichtiger Mann sitzt auf einer Steinmauer an einem Fluss und isst ein Sandwich.
Dossier: Ernährung

Adipositas: Was tun gegen starkes Übergewicht?

In der Schweiz ist rund jeder achte Erwachsene von Adipositas betroffen – einer schweren Form des Übergewichts mit hohen Gesundheitsrisiken. Doch es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Adipositas gezielt anzugehen.

Text: Nicole Krättli; Foto: iStock

Atemnot nach ein paar Treppenstufen, schmerzende Knie und das Gefühl, der eigene Körper sei eine Last – für rund eine Million Menschen in der Schweiz ist das Realität. Adipositas, starkes Übergewicht, ist mehr als eine Zahl auf der Waage; es beeinflusst nahezu jeden Lebensbereich. Doch wer den Weg aus der Adipositas sucht, hat heute vielfältige Möglichkeiten, die zu einem besseren Leben führen können.

Was ist Adipositas?

Adipositas wird als eine chronische, ernsthafte Krankheit verstanden, die das Wohlbefinden und die Gesundheit langfristig beeinträchtigen kann. Übermässiges Fettgewebe führt dazu, dass der Körper nicht nur schwerer, sondern auch anfälliger für verschiedene Gesundheitsrisiken wird. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Adipositas ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30. Der BMI hilft dabei, das Gewicht im Verhältnis zur Körpergrösse einzuschätzen.

Was ist der Unterschied zwischen Übergewicht und Adipositas?

Während Übergewicht mit einem BMI ab 25 beginnt und oft durch eine angepasste Ernährung und mehr Bewegung reduziert werden kann, ist Adipositas eine ernstere Form von Übergewicht, die Betroffene meist nicht ohne medizinische Unterstützung bekämpfen können. Ein BMI von über 30 bedeutet bereits ein massiv höheres Risiko für Folgekrankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck, was die WHO als «ernste globale Gesundheitsherausforderung» bezeichnet.

Der BMI wird in folgende Kategorien eingeteilt:

  • Untergewicht: BMI unter 18,5
  • Normalgewicht: BMI zwischen 18,5 und 24,9
  • Übergewicht: BMI über 25
  • Präadipositas: BMI zwischen 25 und 29,9
  • Adipositas Grad I: BMI zwischen 30 und 34,9
  • Adipositas Grad II: BMI zwischen 35 und 39,9
  • Adipositas Grad III: BMI über 40

Übergewicht berechnen: Ab wann ist man übergewichtig?

Der Body-Mass-Index teilt das Gewicht (in Kilogramm) durch die Körpergrösse (in Metern) im Quadrat. Liegt der Wert über 25, spricht man von Übergewicht, ab einem BMI von 30 beginnt die Adipositas. Ein BMI-Rechner des Universitätsspitals Zürich hilft, den eigenen BMI zu berechnen.

Der BMI allein ist allerdings nicht aussagekräftig genug: Insbesondere das viszerale Fett, das sich um die inneren Organe ansammelt, erhöht das Risiko für Herzerkrankungen. Ein erhöhter Taillenumfang ab 88 cm bei Frauen und 102 cm bei Männern gilt ebenfalls als kritischer Wert. Die Verteilung des Körperfetts kann ebenfalls Hinweise auf gesundheitliche Risiken geben:

  • Androide Adipositas (Apfeltyp): Das Fett sammelt sich hauptsächlich im Bauchbereich an und erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.
  • Gynoide Adipositas (Birnentyp): Das Fett lagert sich verstärkt an Hüften und Oberschenkeln an, was als weniger risikoreich gilt, aber dennoch gesundheitliche Belastungen mit sich bringen kann.

Ursachen und Risikofaktoren

Adipositas wird durch ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren begünstigt, das weit über die einfache Gleichung von zu viel Essen und zu wenig Bewegung hinausgeht. Genetische Veranlagungen, psychische und soziale Einflüsse sowie die Umwelt spielen eine zentrale Rolle. Gemäss der Allianz Adipositas Schweiz ist eine kalorienreiche Ernährung bei gleichzeitigem Bewegungsmangel ein wesentlicher Risikofaktor, doch auch Emotionen wie Stress, Frust und Einsamkeit können ungesundes Essverhalten fördern und zur Gewichtszunahme beitragen.

Genetische Faktoren beeinflussen den Grundumsatz, also die Kalorienmenge, die der Körper im Ruhezustand verbraucht. Menschen mit niedrigem Grundumsatz neigen stärker zu Gewichtszunahme, selbst wenn sie nicht mehr essen als schlanke Personen. Auch hormonelle Störungen wie eine Schilddrüsenunterfunktion oder das Cushing-Syndrom, das zu einer Überproduktion von Kortison führt, können den Stoffwechsel beeinträchtigen und das Risiko für Adipositas erhöhen.

Symptome und Folgen von Adipositas

Menschen mit Adipositas leiden oft unter einer Vielzahl von körperlichen Symptomen, die den Alltag erschweren. Die körperliche Belastbarkeit ist reduziert: Schon einfache Aktivitäten wie Treppensteigen oder Bücken führen zu Atemnot und schneller Ermüdung. Übermässiges Schwitzen tritt häufig auf, selbst bei geringer Anstrengung und niedrigeren Temperaturen.

Schmerzende Gelenke

Das hohe Körpergewicht belastet die Gelenke, besonders die in der unteren Wirbelsäule sowie in Hüft-, Knie- und Sprunggelenken. Hinzu kommt, dass sich die Gelenke schneller abnutzen, was zu starken Schmerzen und im weiteren Verlauf zu Arthrose führen kann.

Schlechter Schlaf und Atemaussetzer

Zusätzlich entsteht durch das höhere Körpergewicht ein erhöhter Sauerstoffbedarf. Doch insbesondere adipöse Menschen leiden vermehrt unter Atemaussetzern in der Nacht (Schlafapnoe), was die Sauerstoffversorgung weiter beeinträchtigt und bei den Betroffenen zu Erschöpfung und Tagesschläfrigkeit führt.

Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Insbesondere viszerales Fettgewebe im Bauchraum, das sogenannte Bauchfett, erhöht zudem das Risiko für Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erheblich.

Gemäss der Weltgesundheitsorganisation ist Adipositas allein in Europa für mindestens 200 000 neue Krebsfälle jährlich verantwortlich und gilt als eine der Hauptursachen für Bluthochdruck und Atherosklerose, die das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöhen.

Tabu Übergewicht: seelische und gesellschaftliche Folgen

Auch psychische Symptome sind bei Menschen mit Adipositas weit verbreitet. Viele Betroffene kämpfen mit sozialer Ausgrenzung, Mobbing und einem verminderten Selbstwertgefühl.

Die Schweizerische Gesellschaft für die Erforschung der Adipositas warnt in diesem Zusammenhang vor einem Teufelskreis: Die Einschränkungen durch Adipositas verstärken das Problem oft, weil sich Betroffene dann weniger bewegen, was das Gewicht weiter erhöht.

Diagnose und Behandlung

Um Adipositas zu diagnostizieren, wird neben dem BMI auch der Taillenumfang gemessen. Ergänzend führen die zuständigen Fachpersonen oft Bluttests durch, um Risiken wie hohen Blutzucker oder Cholesterinwerte zu ermitteln. Eine fundierte Diagnose hilft, die passende Behandlung zu finden, die von Bewegungstherapie bis zu chirurgischen Eingriffen reicht.

Konservative Behandlungsmethoden

Unter konservativen Behandlungsmethoden verstehen Expertinnen und Experten Ernährungsberatung, Bewegungs- und Verhaltenstherapie:

  • Ernährungsberatung: Eine individuelle Analyse des Essverhaltens und ein angepasster Ernährungsplan helfen dabei, das Gewicht nachhaltig zu reduzieren.
  • Bewegungstherapie: Regelmässige Bewegung, individuell angepasst an die Fitness, erhöht den Kalorienverbrauch und verbessert die allgemeine Belastbarkeit. Programme wie Walking, leichtes Krafttraining oder Schwimmen sind besonders vielversprechend.
  • Verhaltenstherapie: Um langfristig Erfolg zu erzielen, ist es wichtig, das eigene Verhalten zu ändern. Eine psychologische Unterstützung kann dabei helfen, ungesunde Essmuster zu erkennen und schrittweise zu verändern.

Medikamentöse Therapie

Bei bestimmten Patienten kann eine medikamentöse Therapie ergänzend eingesetzt werden. Diese Medikamente dämpfen das Hungergefühl oder hemmen die Fettaufnahme. Lassen Sie sich unbedingt von Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt beraten: Medikamentöse Behandlungen sollten nur unter strenger ärztlicher Aufsicht durchgeführt werden, da Nebenwirkungen keine Seltenheit sind.

Chirurgische Therapie

Für Menschen mit schwerer Adipositas (BMI ab 35), bei denen konservative Ansätze nicht zum Erfolg geführt haben, kann sich unter Umständen auch eine chirurgische Therapie lohnen. Zu den häufigsten Verfahren gehören:

 

  • Roux-Y-Magen-Bypass: Durch eine Verkleinerung des Magens und die Verkürzung der Dünndarmpassage stellt sich einerseits das Sättigungsgefühl schneller ein, andererseits wird die Nahrung nur noch eingeschränkt aufgenommen.
  • Magenschlauch (Gastric Sleeve): Bei dieser Operation werden rund drei Viertel des Magens entfernt, sodass nur noch ein kleiner Schlauch zurückbleibt, der über ein geringeres Fassungsvermögen verfügt.
  • Omega-Loop-Bypass: Diese Technik kombiniert eine Verkleinerung des Magens mit einer Umleitung eines Teils des Dünndarms und sorgt so für eine geringere Nährstoffaufnahme.

Die Wahl des Verfahrens wird individuell getroffen und hängt von Vorerkrankungen, dem BMI und den persönlichen Zielen ab. Langfristig ist eine enge ärztliche Betreuung essenziell, da Mangelerscheinungen auftreten können und eine Umstellung der Ernährung erforderlich ist.

Starkem Übergewicht vorbeugen

Um Adipositas zu verhindern, ist eine Kombination aus gesunder Ernährung und regelmässiger Bewegung essenziell. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) rät in seinen Ernährungsempfehlungen, die zuletzt 2024 überarbeitet wurden, zu einer Ernährung, die überwiegend auf pflanzlichen Proteinen, Vollkornprodukten und saisonalem Obst und Gemüse basiert.

Eine ballaststoffreiche Ernährung mit wenig Zucker und wenig verarbeiteten Lebensmitteln unterstützt das Sättigungsgefühl und senkt das Risiko für Übergewicht. Bewegung sollte ebenfalls fest im Alltag verankert werden: Bereits 30 Minuten Aktivität täglich senken das Risiko, starkes Übergewicht zu entwickeln, nachweislich.

Übergewicht bei Kindern

Die Zahlen der WHO zeigen, dass rund jedes dritte Kind in Europa mit Übergewicht kämpft – ein alarmierender Trend. Gemäss der Allianz Adipositas Schweiz sind in der Schweiz rund 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig oder adipös. Programme wie «Fourchette verte», die bereits in Schulen gesunde Essgewohnheiten fördern, zeigen, dass Aufklärung und frühe Förderung eine nachhaltige Wirkung haben können.

Die Gesundheitsförderung Schweiz empfiehlt Eltern, schon im Kindesalter auf gesunde Ernährung und Bewegung zu achten, um langfristig ein gesundes Gewicht zu fördern. «Bewegung und gesunde Ernährung müssen spielerisch und alltagsnah vermittelt werden», so die Gesundheitsförderung Schweiz, die Programme in Kindergärten und Schulen unterstützt. Besonders nach der Pandemie haben sich die Bewegungsgewohnheiten vieler Kinder negativ verändert – ein Trend, dem man gemäss WHO unbedingt entgegenwirken sollte, um langfristige Gesundheitsprobleme zu verhindern.

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