Traurigkeit überwinden: Tipps gegen das Stimmungstief
Manchmal läuft alles wie am Schnürchen. Und manchmal geht einfach nichts mehr. Stimmungstiefs kennt jeder. Solange die düsteren Wolken wieder vorbeiziehen, besteht kein Grund zur Sorge. Expertinnen erklären, wie Sie aus einem Tief herausfinden – oder gar nicht erst reinrutschen.
Nicht immer ist der Himmel blau und wolkenlos. Wenn die Belastung zunimmt, sei es Stress im Alltag, Streit in der Familie oder ein Jobverlust, drückt das auf die Stimmung. Das ist normal, Krisen gehören schliesslich zum Leben. Meistens findet man nach ein paar Stunden oder Tagen von allein den Weg aus dem emotionalen Tief – vor allem wer aktiv etwas dagegen unternimmt. Dreht sich die negative Gedankenspirale aber über Wochen, kann sich daraus potenziell eine Depression entwickeln. Der Übergang von psychisch gesund zu psychisch krank ist fliessend. Dabei verhält sich das psychische Wohlergehen wie eine Waage: In der einen Waagschale liegen die Belastungen. In der anderen diejenigen Dinge, die guttun und neue Energie geben, auch Ressourcen genannt. Wiegt die Belastung gerade schwerer, rutschen wir in ein Stimmungstief. Dann ist es wichtig, die Ressourcen rasch wieder aufzustocken, um zurück ins Gleichgewicht zu kommen. Übrigens: Sind wir in Balance, halten wir Belastung gut aus. Aus diesem Grund lohnt es sich auch in Zeiten, in denen es uns gut geht, die psychischen Abwehrkräfte zu stärken.
Das Stimmungstief hinter sich lassen
Traurigkeit, Gereiztheit, Energielosigkeit und endlos kreisende Gedanken: Spätestens wenn solche Anzeichen nach zwei Tagen nicht von allein verschwinden, sollte man aktiv dagegen angehen, rät Liliana Paolazzi von der Stiftung Pro Mente Sana, die sich seit über 40 Jahren für die psychische Gesundheit einsetzt. «Wir sind unseren Emotionen nicht hilflos ausgeliefert. Wir können aktiv etwas verändern.»
Akzeptieren Sie sich selbst!
Haben Sie den Mut, darüber zu reden!
Bewegen Sie sich!
Lernen Sie etwas Neues!
Pflegen Sie Freundschaften!
Lassen Sie sich helfen!
Erholen Sie sich!
Gehen Sie an die frische Luft!
Jeder Mensch hat seine eigenen Vorlieben und Möglichkeiten, um Energie zu tanken. Es gilt herauszufinden, was einem Spass macht und guttut. Mitten in einem Tief kann aber gerade das herausfordernd sein. Die Psychotherapeutin Anna Beer-Heuberger erlebt dies oft: «Viele meiner Klienten und Klientinnen müssen zunächst einmal verstehen, wie es ihnen überhaupt geht. Sich selbst wahrzunehmen und zwischen verschiedenen Emotionen zu unterscheiden, klingt manchmal einfacher, als es ist.» Dabei könne es hilfreich sein, die eigenen Denk- und Verhaltensmuster zu beobachten. Kommen immer wieder die gleichen Gedanken auf? Finde ich mich wiederholt in derselben Situation wieder? Negative Gedanken können dann ersetzt oder ins Positive verändert werden. Beer-Heuberger empfiehlt zudem, die Ziele nicht zu hochzustecken. Die Strategien aus dem Tief sollten konkret und vor allem realistisch sein. «Wenn ich zum Beispiel nicht sofort drei Wochen Ferien nehmen kann, sind vielleicht drei Tage möglich.»
Nicht alle fallen gleich tief
«Zwar kennen alle Menschen gelegentliche Stimmungstiefs, es gibt aber Personen, die eher dazu neigen als andere», sagt Beer-Heuberger. Ursachen gibt es verschiedene: etwa schwierige Erlebnisse in der Vergangenheit oder die Prägung durch Vorbilder. Wenn Eltern vor allem das Negative sehen, sich wenig für sich selbst einsetzen oder zu Traurigkeit neigen, kann sich das aufs Kind und dessen Umgang mit Belastungen übertragen. Auch im Aussen kann es Gründe geben, die das Gefühl von Frust oder Hilflosigkeit fördern. Die Corona-Pandemie ist aktuell ein grosses Thema in der Praxis der Psychologin: «Als Folge der momentanen Einschränkungen empfinden viele Menschen ein Ohnmachtsgefühl.» Wenn jemand über wenig Ressourcen verfügt, hat er derzeit eher Mühe, die Stimmung wieder zu heben.
Den einen Faktor, der ein Tief auslöst, gibt es aber nicht, präzisiert Beer-Heuberger. Sowohl die Genetik als auch die persönlichen Ressourcen sowie das soziale Umfeld spielen eine Rolle. Diese drei Aspekte sind bei allen Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt. Aber: «Die Genetik kann ich nicht beeinflussen – wie ich Dinge wahrnehme sowie meinen Alltag und mein soziales Umfeld gestalte jedoch schon.» Diese Erkenntnis ist zentral, um aus einer Lähmung wieder in Bewegung zu kommen. Bei einem länger andauernden Tief ist es ratsam, die Unterstützung einer Fachperson zu suchen, betont die Psychologin. Sie hält aber auch fest: «Schlechte Stimmungen gehören dazu. Wir müssen lernen, diese auch mal auszuhalten.»
Tief vs. Depression: Wo liegt der Unterschied?
Ein Stimmungstief ist eine momentane, einige Stunden bis wenige Tage andauernde emotionale Schlechtwetterlage und eine normale Reaktion auf Belastung. Eine Depression hingegen ist eine psychische Störung, die über längere Zeit oder wiederkehrend auftritt. Menschen, die an einer Depression erkranken, haben Mühe, das alltägliche Leben zu meistern, und sind nur noch begrenzt oder gar nicht belastbar. Die Ausprägung reicht dabei von einer leichten bis zu einer schweren Depression. Typische Anzeichen sind:
- Gedrückte Stimmung und Antriebslosigkeit
- Desinteresse, Freudlosigkeit bis zur inneren Leere
- Schlaf- und Appetitlosigkeit
- Verminderung der Libido
- Anhaltende Traurigkeit bis zur Hoffnungslosigkeit
- Emotionale, geistige und körperliche Erschöpfung
- Konzentrationsprobleme
- Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit
- Herabgesetztes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
- Suizidgedanken
Personen, die diese Symptomatik oder Aspekte davon über mehr als zwei Wochen verspüren, sollten psychotherapeutische Unterstützung suchen.