Darum sollten Sie Ihr Gleichgewicht trainieren

Stürze gehören zum Leben. Im Alter kann ein Sturz im eigenen Zuhause aber schlimme Folgen haben. Dabei wäre die Vorsorge sehr einfach und schon in jungen Jahren nötig, sagt Expertin Barbara Zindel von der Rheumaliga Schweiz.

Text: Anna Miller; Foto: iStock

Frau Zindel, ich habe mich ehrlich gesagt noch nie wirklich mit Sturzprävention beschäftigt. Aber ich bin auch erst 35 Jahre alt. Ein Fehler?

Nun, da sind Sie nicht die Einzige, der es so geht. Tatsächlich wird Sturzprävention bei den meisten Menschen erst dann zum Thema, wenn sie tatsächlich stürzen – und einen Schaden davontragen. In jungen Jahren stürzen wir seltener und wenn doch, dann passiert oft auch einfach … nichts. Das Hinfallen per se ist also nicht das Problem, das gehört zum Gehen auf zwei Beinen dazu. Im Alter wird das Stürzen aber zunehmend zu einer sehr ernst zu nehmenden Gefahr.

Warum?

Weil sich im Alter die Muskulatur abbaut und der Gleichgewichtssinn verschlechtert. Man stürzt also eher, und wenn man stürzt, hat das oft gravierende Konsequenzen. Schauen Sie sich nur die Zahlen an: Jede dritte Person stürzt ab dem Alter von 65 einmal im Jahr, bei den über 75-Jährigen verdoppelt sich diese Quote. Wir haben alleine in der Schweiz über eine Million Unfallverletzte pro Jahr, mehr als die Hälfte davon aufgrund von Unfällen im Bereich Haus und Freizeit. Und über 200’000 davon sind Sturzopfer. Auch die finanziellen Konsequenzen sind substanziell: Stürze kosten jährlich 4,9 Milliarden Franken.

Und die älteren Menschen machen davon einen grossen Teil aus?

Ja, mit 100’000 Stürzen pro Jahr sind die Hälfte aller Stürzenden über 65. Das ist für die Betroffenen oft hart, weil Stürze Konsequenzen haben: Schmerzen natürlich, aber auch Brüche. Was wiederum Spitalaufenthalt, Bewegungseinschränkungen und Schmerzmittel bedeutet. Bei vielen ist auch die Angst vor einem Autonomieverlust gross: Nach einem Sturz müssen einige von ihnen ins Pflegeheim – oder sie sind nicht mehr so mobil wie zuvor.

Ein Sturz kann also ein Leben verändern?

Genau. Deshalb ist es so wichtig, bereits in jüngeren Jahren das Gleichgewicht zu trainieren. Denn die schlechte Nachricht ist: Der Gleichgewichtssinn lässt mit dem Alter rasch nach. Die gute Nachricht ist: Er lässt sich innerhalb weniger Wochen auch wieder auf Vordermann bringen. Man sieht also rasch gute Erfolge. Denken Sie mal daran, wie es sich anfühlt, wenn Sie das erste Mal auf einem Baumstamm gehen – und wie rasch sich der Körper daran gewöhnt. Nach ein paar Versuchen sind Sie schon viel sicherer. So kann man auch seine Sturzangst minimieren. Viele ältere Menschen haben grosse Angst davor, zu stürzen – diese Angst rangiert in Umfragen regelmässig unter den fünf meistgenannten Ängsten. Angst verspannt den Körper aber zusätzlich und steigert das Risiko umzufallen.

Sollten wir also öfter auf Baumstämmen gehen?

Zum Beispiel. Sie können Ihren Gleichgewichtssinn aber auch niederschwellig, täglich und zu Hause trainieren. Auch wenn man nicht so sportlich ist, kann man Gleichgewichtsübungen gut in den Alltag integrieren. Beispielsweise indem Sie beim Zähneputzen auf einem Bein stehen. Oder üben Sie täglich, vom Stuhl aufzustehen und sich wieder hinzusetzen. Das beansprucht viele Muskeln. Trainieren Sie ausserdem die Beinmuskulatur, indem Sie sich mindestens drei Stunden die Woche intensiver bewegen. Muskelschwund setzt schon ab dem Alter von 35 Jahren ein. Tut man nichts, hat man mit 70 bereits die Hälfte der gesamten Muskelmasse verloren. Deshalb ist es so wichtig, dass man vorsorgt.

Das sind innere Faktoren, die ich an mir verändern kann. Gibt es auch äussere Risiken, die ich minimieren kann?

Natürlich, das sind die klassischen Stolperfallen in der Wohnung. Herumliegende Kabel beispielsweise, der Teppichrand oder die Schwelle zur Terrasse. Und da wären natürlich auch noch Faktoren wie schlechtes Schuhwerk – Finken auf vereistem Untergrund zum Beispiel. Auch machen viele Menschen in der Nacht das Licht aus, weil sie Strom sparen wollen, und tapsen dann blindlings ins Bad und stolpern. Ironischerweise finden die meisten Stürze innerhalb der eigenen vier Wände statt, da viele Menschen gerade im Alter aus Angst vor Unfällen das Haus kaum mehr verlassen. Sorgen Sie also rechtzeitig vor, bringen Sie sich auch gerne mal ein bisschen aus dem Gleichgewicht, essen Sie gesund und eiweissreich und schauen Sie, dass Sie Ihrer Muskulatur Sorge tragen. Dann sind Sie auf der sicheren Seite.

Sicher durch den Alltag

Stürze können das Leben einschneidend verändern. Gemeinsam mit der Rheumaliga Schweiz bieten wir Ihnen mit dem Gesundheitsprogramm Sturzprävention eine kostenlose Sturzberatung, mit der Sie das Risiko eines Sturzes auf ein Minimum reduzieren. Für Sanitas Kundinnen und Kunden, die eine Grundversicherung mit Unfalleinschluss und eine private oder halbprivate Spitalversicherung abgeschlossen haben, ist die Teilnahme kostenlos.

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