Dossier: Gesundes Gehirn

Ein Schlaganfall verändert alles

Ein Schlaganfall passiert ohne Vorwarnung und kann das Leben komplett auf den Kopf stellen. Schnelle Hilfe und eine gesunde Lebensweise sind entscheidend, um das Schlaganfallrisiko zu reduzieren und die Genesungschancen zu optimieren.

Text: Nicole Krättli; Foto: iStock

Ein Schlaganfall schlägt wie ein Blitz ein und stellt das Leben komplett auf den Kopf. Jährlich erleiden in der Schweiz etwa 16 000 Menschen einen Hirnschlag, oft völlig unerwartet. In den meisten Fällen führt ein Blutgerinnsel zu einer Verstopfung der Gefässe oder aber ein Gefäss platzt und flutet das Gehirn mit Blut.

In empfindlichen Gehirnbereichen können schon kleine Schäden lebensbedrohlich sein. Statistiken zeigen, dass etwa 5 bis 10 Prozent der Schlaganfallpatienten innerhalb der ersten vier Wochen nach dem Vorfall sterben. Innerhalb des ersten Jahres steigt die Zahl dann auf 15 bis 20 Prozent. Für die Überlebenden ist das Leben oft nicht mehr wie zuvor. Etwa die Hälfte hat bleibende Schäden und ein Drittel ist auf fremde Hilfe angewiesen. Ein Schlaganfall ist also nicht nur eine der häufigsten Todesursachen, sondern auch eine Hauptursache für dauerhafte Behinderungen.

Eine schnelle Reaktion kann bei einem Hirnschlag über Leben und Tod, über baldige Genesung oder lebenslängliche Einschränkungen entscheiden. «Bei Verdacht auf einen Schlaganfall gilt: Lieber einmal zu viel als zu wenig die Notfallnummer 144 kontaktieren», rät Prof. Dr. med. Hakan Sarikaya, Oberarzt an der Universitätsklinik für Neurologie am Inselspital Bern und Kommissionsmitglied der Schweizerischen Herzstiftung für Prävention.  

Schlaganfall: Wenn die Durchblutung im Gehirn gestört ist

Bei einem Schlaganfall wird plötzlich die Durchblutung bestimmter Hirnregionen unterbrochen. Die Mangeldurchblutung, auch ischämischer Schlaganfall genannt, ist für rund 85 Prozent aller Schlaganfälle verantwortlich. In diesem Fall blockieren ein Blutgerinnsel oder eine verengte Arterie den Blutfluss zu einer bestimmten Gehirnregion. In knapp 15 Prozent der Fälle erleiden Personen einen hämorrhagischen Schlaganfall. Dabei platzt ein Blutgefäss im Gehirn oder zwischen den Hirnhäuten, wodurch Blut ins umliegende Gewebe gelangt.  

Ursachen für einen Schlaganfall: So können Sie das Risiko um 80 Prozent reduzieren

Schlaganfälle sind auch deshalb so gefährlich, weil sie plötzlich und ohne Vorwarnung auftreten können. Ein wichtiger Risikofaktor ist neben der Genetik vor allem das Alter. Entsprechend nimmt die Zahl der Schlaganfallpatienten ab 60 Jahren massiv zu. Es wäre aber falsch zu glauben, dass allein das Alter für Schlaganfälle verantwortlich ist und wir entsprechend nichts dagegen tun könnten, erklärt Oberarzt Hakan Sarikaya. Tatsächlich hat eine internationale Studie gezeigt, dass sich das Schlaganfallrisiko um 80 Prozent reduzieren lässt, wenn man die eigenen Risikofaktoren vermindert:   

Bluthochdruck

Ein hoher Blutdruck belastet die Gefässe, verursacht Arteriosklerose und verengt die Arterien. Eine regelmässige Kontrolle und gegebenenfalls medikamentöse Behandlung sind entscheidend, um diesen Risikofaktor zu reduzieren.

Nikotin

Das Rauchen schädigt die Blutgefässe, fördert die Arteriosklerose und erhöht das Schlaganfallrisiko erheblich. Es macht das Blut dicker, verengt die Gefässe und steigert die Gerinnungsneigung.

Alkohol

Hohe Mengen Alkohol oder regelmässiger Konsum erhöhen nicht nur das Schlaganfallrisiko, sondern auch das Risiko für Leber- und Herzkrankheiten.

Übergewicht

Vielfach gehen Übergewicht und Bewegungsmangel Hand in Hand und tragen zur Entstehung von Bluthochdruck, Diabetes und Arteriosklerose bei. Hakan Sarikaya rät deshalb zu regelmässiger Bewegung – mindestens dreimal 30 Minuten Ausdauersport pro Woche.

Fettstoffwechsel-Störungen

Ein hoher Cholesterinspiegel oder andere Blutfettanomalien erhöhen das Risiko für Arteriosklerose und damit für einen Schlaganfall. Eine gesunde Ernährung und Medikamente können diese Werte senken. Schlaganfallexperte Sarikaya rät zu einer salzarmen Mittelmeerdiät mit wenig rotem Fleisch.

Diabetes

Die Blutzuckerwerte sind durch die Erkrankung dauerhaft erhöht, was die Blutgefässe schädigt und das Risiko für Arteriosklerose und Schlaganfall erhöht.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Herzrhythmusstörungen erhöhen das Schlaganfallrisiko, da sie die Bildung von Blutgerinnseln begünstigen. Eine rechtzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend.

Schlaf

Experten raten zu sechs bis acht Stunden Schlaf. Wer häufig tagsüber müde ist oder unregelmässiges Schnarchen mit anschliessenden Atempausen feststellt, sollte dies durch einen Facharzt abklären lassen.

«Bei Verdacht auf einen Schlaganfall gilt: Lieber einmal zu viel als zu wenig die Notfallnummer 144 kontaktieren.»
Prof. Dr. med. Hakan Sarikaya

Schlaganfallsymptome richtig deuten

Bei einem Schlaganfall zählt jede Sekunde. Umso wichtiger ist es, die Anzeichen richtig zu deuten. Plötzliche Taubheits- und Lähmungserscheinungen in einer Körperseite sowie akute Seh- und Sprechstörungen sind Hinweise auf einen Schlaganfall. Um zu testen, ob es sich tatsächlich um einen Schlaganfall handelt, empfehlen Experten den FAST-Test.

  • F wie «Face» (Gesicht): Bitten Sie den Betroffenen zu lächeln. Wenn eine Gesichtshälfte herabhängt, ist das ein Hinweis auf eine mögliche Lähmung.
  • A wie «Arms» (Arme): Fordern Sie die Betroffene auf, beide Arme nach vorne zu strecken. Schafft die Person das nicht gleichmässig, könnte das auf eine Lähmung hinweisen.
  • S wie «Speech» (Sprache): Bitten Sie den Betroffenen, einen einfachen Satz zu wiederholen. Kann die Person gar nicht oder nur unklar sprechen, ist das ebenfalls ein Zeichen für einen Schlaganfall. 
  • T wie «Time» (Zeit): Warten Sie nicht ab, ob sich die Symptome verbessern, sondern alarmieren Sie SOFORT den Notarzt (144)!

Erste Hilfe macht grossen Unterschied

Während Sie auf den Notarzt warten, sollten Sie den Patienten beruhigen und seinen Oberkörper leicht erhöht lagern. Das kann die Atmung erleichtern. Öffnen Sie beengende Kleidung wie Hemdkragen oder Krawatte, um weiteren Druck zu vermeiden. Geben Sie dem Patienten nichts zu essen oder zu trinken, da die Person daran ersticken könnte.

Wenn eine Patientin bewusstlos ist, aber noch atmet, ist die stabile Seitenlage die sicherste Position. Dabei wird die Patientin auf ihre Seite gelegt, wobei die gelähmte Seite nach unten zeigt. Diese Position hält die Atemwege frei und verhindert, dass die Patientin an ihrem eigenen Speichel oder Erbrochenen erstickt.  

So lässt sich ein Schlaganfall behandeln

Sobald der Notarzt eintrifft, wird der Patient in die nächste Stroke Unit – ein spezialisiertes Schlaganfallzentrum – gebracht. Bei einem ischämischen Schlaganfall, der durch ein Blutgerinnsel verursacht wird, liegt der Behandlungsschwerpunkt darauf, das Gerinnsel zu beseitigen und die Durchblutung wiederherzustellen. Das kann durch die Verabreichung von Medikamenten oder durch einen Kathetereingriff erfolgen.

Bei einem hämorrhagischen Schlaganfall, der durch eine Hirnblutung verursacht wird, ist die Behandlung darauf ausgerichtet, den Blutdruck und Hirndruck zu regulieren und die Blutung zu kontrollieren. Absolute Bettruhe und Massnahmen zur Vermeidung von Druckerhöhung sind entscheidend. Bei ausgedehnten Hirnblutungen kann eine Operation notwendig werden.

Ist die akute Gefahr erst einmal gebannt, geht es darum, einen weiteren Hirnschlag zu vermeiden. Neben einer medikamentösen Behandlung spielen dabei vielfach auch andere Massnahmen eine wichtige Rolle. Ärzte empfehlen eine gesunde Ernährung, regelmässige Bewegung, Gewichtsabnahme und den Verzicht auf Nikotin und Alkohol.

Diese Veränderungen tragen dazu bei, den Blutdruck und das Cholesterin zu senken und damit das Risiko für einen erneuten Schlaganfall zu reduzieren. Ein gesunder Lebensstil ist eine wichtige Ergänzung zur medikamentösen Therapie und kann einen wichtigen Beitrag zur Schlaganfallprävention leisten.

Über den Experten

Prof. Dr. med. Hakan Sarikaya ist mitverantwortlich für die Stroke Unit am Inselspital Bern. Nach seinem medizinischen Studium an der Universität Zürich absolvierte er seine klinisch-neurologische Ausbildung in St. Gallen und Zürich. Dort spezialisierte er sich auf dem Gebiet der Schlaganfallmedizin. Er ist zudem Kommissionsmitglied der Schweizerischen Herzstiftung für Prävention.

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