Dossier: Ernährung

Vitamin-D-Mangel: Das müssen Sie wissen

Vitamin D ist unverzichtbar für starke Knochen und ein intaktes Immunsystem. Der Körper produziert es selbst, wenn er direkten Kontakt zum Sonnenlicht hat. Viele Menschen haben in den Wintermonaten aber einen Vitamin-D-Mangel. Wer wie viel von dem «Sonnenhormon» braucht und wie sinnvoll Nahrungsergänzungsmittel sind.

Text: Stefan Schweiger; Foto: Sebastian Doerk

Was ist Vitamin D und wofür brauchen wir es?

Streng genommen ist Vitamin D gar kein Vitamin: Vitamine werden ausschliesslich über die Nahrung aufgenommen. Vitamin D dagegen ist eine Vorstufe eines Hormons und gehört zu den fettlöslichen Vitaminen, medizinisch «Calciferole» genannt. Im Körper sorgt es dafür, dass Kalzium und Phosphat aus dem Darm aufgenommen und in den Knochen eingebaut werden können – ist also unverzichtbar für den Knochenstoffwechsel sowie bei anderen Stoffwechselvorgängen.

Was ist Vitamin D3?

Sprechen Laien von Vitamin D, meinen sie eigentlich Vitamin D3 – wissenschaftliche Bezeichnung: Cholecalciferol. Nebst dem Knochenstoffwechsel unterstützt Vitamin D3 auch die Muskelfunktion, die Gehirnfunktion, das Immunsystem und die Herzmuskelzellen sowie die Blutgefässe.

Wie produziert der Körper Vitamin D?

Treffen die im Sonnenlicht enthaltenen UVB-Strahlen auf die Haut, schaltet im Körper die Produktion von Vitamin D um auf Hochtouren: ein komplexer Prozess, an dem neben der Haut die Leber und die Nieren mitwirken. Einmal hergestellt, wird das «Sonnenhormon» in der Leber, dem Fettgewebe und in den Muskeln eingelagert. Ein Depot, das später bei Bedarf angezapft werden kann.

Eine Faustregel für die helleren Monate: Die Hälfte der Zeitdauer, nach der ein Sonnenbrand zu befürchten wäre, reicht aus – je nach Hauttyp zwischen fünf Minuten und einer halben Stunde, nach Möglichkeit ohne Sonnenschutz und ohne bedeckende Kleidung. Voraussetzung: Die Sonne scheint ausreichend stark – was in der Schweiz zwischen November und März nicht der Fall ist.

Die Ernährung steuert mit einem Anteil zwischen 10 und 20 Prozent übrigens nur wenig bei.

«Im Winter nimmt der Vitamin-D-Spiegel bereits ab November ab.»
Prof. Dr. Dr. med. Heike A. Bischoff-Ferrari, Professorin für Geriatrie und Altersforschung UZH

Vitamin-D-Mangel: Was tun?

Ein niedriger Vitamin-D-Wert muss nicht immer Grund für Besorgnis sein. Denn die Menge des Vitamins unterliegt Schwankungen. Grundsätzlich gilt jedoch: «Die Halbwertszeit von Vitamin D im Blut beträgt nur drei bis sechs Wochen», erklärt Ärztin Heike Bischoff-Ferrari.

«Im Winter nimmt der Vitamin-D-Spiegel bereits ab November ab – was dazu führt, dass in der Schweiz rund 50 Prozent der Menschen während der Winterzeit zu wenig Vitamin D haben.» Doch wie lässt sich ein Vitamin-D-Mangel erkennen und wie gelingt es, den Vitamin-D-Spiegel zu erhöhen?

Symptome: Welche Anzeichen treten bei Vitamin-D-Mangel auf?

Fühlt man sich häufig müde und abgeschlagen, leidet oft unter Infekten, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass es dem Körper an Vitamin D mangelt. Zugegeben: recht unspezifische Symptome. Kommen regelmässig Schmerzen in Muskeln oder Knochen hinzu, sind dies schon eindeutigere Zeichen – im schlimmsten Fall für einen schon länger anhaltenden Vitamin-D-Mangel.

Ursachen: Wie entsteht ein Vitamin-D-Mangel?

Menschen mit heller Haut bilden mehr Vitamin D als Menschen mit dunkler Haut, da bei Letzteren ein hoher Gehalt an Melanin dessen Produktion drosselt. Ein erhöhtes Risiko für einen Mangel haben ausserdem Menschen, die aus religiösen Gründen ihre Haut bedecken. Daneben senkt Nikotinkonsum den Vitamin-D-Spiegel.  

Risikogruppen: Wer ist häufig betroffen?

Die grössten Risikogruppen sind aber ältere Menschen: «Ihre Haut produziert bis zu viermal weniger Vitamin D», so Bischoff-Ferrari. «Hinzu kommt, dass viele ältere Menschen direkte Sonnenexposition möglichst meiden.» Davon betroffen sind selbst Seniorinnen und Senioren in mediterranen Ländern angesichts heisser – und zunehmend belastender – werdender Temperaturen. Fensterglas blockiert UVB-Strahlen, ebenso wie Sonnenschutzmittel.

Damit geschützt, haben auch Kinder häufig einen Mangel. Sollten sie also vorsorglich Vitamin D in Form von Supplementen erhalten? Ja, sagt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und hat zuletzt die Empfehlung je nach Alter von 200 IE auf 400 IE oder 600 IE pro Tag erhöht.

Folgen: Was passiert, wenn dem Körper Vitamin D fehlt?

Mangelt es dem Körper dauerhaft daran, leiden vor allem die Knochen darunter. Sie können im schlimmsten Fall weich werden – bei älteren Menschen bis hin zur Osteoporose. Bei Säuglingen und Kindern kann ein Mangel dazu führen, dass die Knochen nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden, dadurch weich bleiben und sich verformen – medizinisch «Rachitis» genannt.

Diagnose: Habe ich einen Vitamin-D-Mangel?

Lassen sich im Blut mindestens 20 Nanogramm Vitamin D pro Milliliter (ng/ml) messen – zum Beispiel über eine Blutprobe in der Hausarztpraxis –, ist der Körper ausreichend damit versorgt. Kommen zu Werten unter 12 ng/ml typische Beschwerden wie Knochen- und Muskelschmerzen hinzu, spricht man dagegen von einem Vitamin-D-Mangel. Werte über 30 ng/ml bringen übrigens keinen zusätzlichen gesundheitlichen Vorteil, so aktuelle Studien.

Therapie: Wie wird ein Vitamin-D-Mangel behandelt?

Die erste Massnahme sollte gezielter Hautkontakt mit dem Sonnenlicht sein. Natürlich ohne einen Sonnenbrand zu riskieren. Reicht das nicht aus, kommt auch eine Vitaminzufuhr als Ergänzung zur Nahrung infrage – meist in Form von Tropfen oder Tabletten, rezeptfrei in der Apotheke.

Den Vitamin-D-Spiegel bestimmen zu lassen sei laut Bischoff-Ferrari keine Voraussetzung hierfür. «Trotzdem ist die Betreuung durch einen Hausarzt oder eine Hausärztin wichtig, um Risiken und Folgen des Vitamin-D-Mangels abzuklären.» Hierzu gehört, das individuelle Risiko für Knochenbrüche und Stürze abzuschätzen, genauso, inwieweit Vitamin D vor schweren Krebs- und Autoimmunerkrankungen schützen könnte. Neuere Studien deuten darauf hin.

«Einen Besuch im Solarium als Vitamin-D-Tankstelle empfehlen wir nicht.»
Prof. Dr. Dr. med. Heike A. Bischoff-Ferrari, Professorin für Geriatrie und Altersforschung UZH

Vitamin-D-Mangel vorbeugen

Solarium, Lichttherapie, Ernährung oder Supplemente – wie lässt sich einem Vitamin-D-Mangel am besten vorbeugen? Vier einfache Tipps:

Auch im Winter nach draussen gehen

Je rarer die Sonnenstrahlen im Herbst und im Winter, umso mehr sollte man gezielt darauf achten, sie nicht ungenutzt zu lassen. Also raus an die frische Luft und natürliches Licht an die Haut lassen: unbedeckt und zeitlich begrenzt ohne Sonnenschutz!

Ernährung: Lebensmittel mit Vitamin D

Zugegeben, im Winter wird das mit dem Sonnenlicht nicht immer einfach. Also Baustein Nr. 2: die Ernährung. Wer viel fetten Fisch, also Lachs, Hering oder Makrele isst, ausserdem Pilze und Eier, kann zumindest einen Teil des Vitamin-D-Bedarfs über die Nahrung decken.

Einen Beitrag von mehr als 20 Prozent zum täglichen Bedarf sollte man sich davon aber nicht erwarten. Lachs enthält mit 16 Mikrogramm pro 100 Gramm vergleichsweise viel Vitamin D, zwei Eier kommen auf gerade einmal 3 Mikrogramm. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt eine tägliche Zufuhr von 20 Mikrogramm.

Helfen Lampen oder das Solarium gegen Vitamin-D-Mangel?

Ärztin Bischoff-Ferrari rät davon ab: «Einen Besuch im Solarium als Vitamin-D-Tankstelle empfehlen wir nicht, weil dort in der Regel eine Mischung aus UVB- und UVA-Strahlung angeboten wird. Letztere trägt nicht zur Vitamin-D-Produktion bei, sondern ist nur schädlich für die Haut.» Denn das Risiko für Hautalterung und -tumoren würde dadurch steigen.

Sollte man Vitamin D supplementieren?

Reichen Sonnenstrahlen und Ernährung nicht aus, um den Vitamin-D-Bedarf zu decken, kommt als dritter Baustein Vitamin D in Tabletten- oder Tropfenform infrage.

Aktuelle Richtlinien empfehlen dies vor allem für zwei Risikogruppen: Kindern zur Vorbeugung von Rachitis (unter einem Jahr 400 IE, später 600 IE) und Erwachsenen über 65 Jahren (800 IE). IE ist als Internationale Einheit die relevante Mengeneinheit, die auf der Packung des Produkts aufgedruckt ist.

Eine Überdosis Sonnenstrahlen schadet übrigens lediglich der Haut. Aber: Ein Zuviel an Vitamin D in Tablettenform ist keinesfalls unbedenklich: Dauerhaft kann es zu Nierenschäden führen, vorher bereits bemerkbar als Übelkeit, Bauchkrämpfe und Erbrechen – ein Anzeichen für einen zu hohen Kalziumspiegel.

Video: Wie gefährlich ist Vitamin-D-Mangel?

Prof. Dr. med. Heike Bischoff-Ferrari ist Lehrstuhlinhaberin an der Universität Zürich und leitet die grösste Studie zum Thema «Gesund Älter Werden» in Europa.

Über die Expertin

Prof. Dr. med. Heike Bischoff-Ferrari ist Lehrstuhlinhaberin an der Universität Zürich und leitet die grösste Studie zum Thema «Gesund älter werden» in Europa (DO-HEALTH). Sie ist zudem Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung gegen die Osteoporose (SVGO) und Präsidentin des wissenschaftlichen Beirates im Schweizer Public-Health-Programm «Connect» zur Erfassung und zur Bekämpfung von Einsamkeit in der Schweiz.

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