Dossier: Ernährung

Gesunder Genuss: entzündungshemmende Nahrungsmittel

Brokkoli, Heidelbeeren, Walnüsse: Bestimmte Lebensmittel können Entzündungen im Körper hemmen. Eine antientzündliche Ernährung beugt Krankheiten vor und kann Symptome von Erkrankten lindern. Aber nicht jedes Nahrungsmittel gehört zu den «Guten».

Text: Julie Freudiger; Foto: iStock

Nicht alle Ernährungstrends sind aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll. Doch die antientzündliche Ernährung ist unbestritten mehr als nur ein Hype. Unzählige Studien aus jahrzehntelanger Forschung bestätigen: Bestimmte Lebensmittel können Entzündungsprozesse ankurbeln, andere hingegen wirken entzündungshemmend. Warum aber ist das Wissen darum so wichtig? Stille Entzündungen können krank machen. Schwelen sie wie verborgene Brandherde lange vor sich hin, gerät das Immunsystem ausser Kontrolle. Es entwickeln sich unter Umständen nicht nur Entzündungskrankheiten wie Rheuma oder Arthritis, sondern sie können auch Krankheiten wie Diabetes, Arterienverengung, Alzheimer oder Krebs weiter akzentuieren.

Wie entstehen Entzündungen im Körper?

Eine Entzündung ist eine natürliche Reaktion des Immunsystems, die nicht per se schlecht ist. Im Gegenteil: Entzündungen sind ein Zeichen dafür, dass der Körper Krankheitserreger oder Schadstoffe loswerden möchte – und das im besten Fall auch schafft. Zum Problem wird dieser Prozess erst, wenn der Körper die Entzündungsprozesse aufrechterhält und sie unentdeckt weiter schwelen. Erste Anzeichen dafür sind anhaltende Müdigkeit, Gelenksschmerzen beim Aufstehen oder Konzentrations- und Gedächtnisschwächen. Mit der Zeit können versteckte Entzündungen in chronische Krankheiten münden. Typ-2-Diabetes ist beispielsweise ein aus dem Ruder gelaufener Entzündungsprozess, der mit der Zeit ganze Nervenbahnen lahmlegt, wenn man nichts dagegen unternimmt.

Die Ursachen von Entzündungen reichen von Autoimmunerkrankungen über Krankheitserreger bis hin zu Bauchfett. Zwar spielen immer auch genetische Faktoren und die Lebensweise eine Rolle, doch gewisse Lebensmittel feuern Entzündungen regelrecht an. Andere hingegen stärken das Immunsystem.

Nahrung, die wirkt

Wer um eine antientzündliche Ernährung besorgt ist, sollte Fleisch, Zucker und einfache Kohlenhydrate sehr stark reduzieren. Denn einfache Kohlenhydrate wie Weissmehl oder eben Zucker lassen den Blutzucker rasch in die Höhe schnellen, was den Körper stresst und schliesslich in Entzündungen enden kann. Ein anderer Grund, mit Kohlenhydraten massvoll umzugehen: Das körpereigene Fett, vor allem das Bauchfett, produziert entzündungsfördernde Hormone. Alles, was den Bauchumfang vergrössert, sollte daher gemieden werden. Und einfache Kohlenhydrate sind leere Kalorien, die kaum sättigen. Ganz auf Kohlenhydrate zu verzichten, ist damit aber nicht gemeint. Nur sind Vollkornprodukte die bessere Wahl. Leidet jemand an Verdauungsproblemen, Erschöpfung, Gelenk- und Muskelschmerzen, kann es unter Umständen auch sinnvoll sein, den Genuss glutenhaltiger Lebensmittel zu reduzieren und diese mit Quinoa, Amaranth, Hirse, Buchweizen und Hülsenfrüchten zu ersetzen.

Die antientzündliche Ernährung entspricht in vielen Punkten der vielgerühmten Mittelmeerkost. Damit sind aber nicht Pasta, Pizza und Gelati gemeint, sondern die traditionell einfache Ernährung Süditaliens und Griechenlands, insbesondere Kretas. Sie besteht aus frischen Früchten und Gemüse, Fisch und Meeresfrüchten, reichlich Olivenöl, Nüssen und Samen, vielen Kräutern und Knoblauch. Fleisch gibt es selten, und auch Milchprodukte stehen nicht in rauen Mengen zur Verfügung. Honig ist das einzige Süssungsmittel.

Fleisch fördert Entzündungen

Rotes Fleisch gilt als entzündungsfördernd, was zahlreiche Studien belegen. Ein Grund dafür ist die Arachidonsäure. Das ist eine essenzielle Omega-6-Fettsäure, die in hoher Konzentration für Entzündungen verantwortlich ist. Auch ungesunde gesättigte Fettsäuren und Transfette sind in rotem Fleisch und Wurstwaren enthalten. Dennoch bedeutet das nicht, dass eine entzündungshemmende Ernährung rein vegetarisch sein muss. Nur sollte Fleisch in geringer Menge und nicht täglich Bestandteil des Menüs sein, ausserdem spielen die Qualität und die Zubereitung des Fleischs eine Rolle. Insbesondere Wurstwaren und Fertigprodukte weisen einen hohen Anteil an ungesunden, entzündungsfördernden Fetten sowie oft auch einen hohen Salzgehalt auf.

Fett ist nicht gleich Fett

Wer abnehmen möchte, muss auf Fett verzichten. So ein weitverbreiteter Irrglaube. Aber Fett ist nicht gleich Fett. Gesunde Fette sind ein zentraler Baustein der antientzündlichen Ernährung. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren, namentlich die verschiedenen Omega-3-Fettsäuren, wirken stark entzündungshemmend. Sie neutralisieren die schädliche Arachidonsäure, die grösstenteils mit Fleisch und Käse aufgenommen wird. Omega-3-Fettsäuren sind in fettem Fisch wie Makrele, Lachs, Forelle oder Hering enthalten. Zur entzündungshemmenden Ernährung gehören zudem Lein-, Chia- und Hanfsamen sowie Walnüsse, Rapsöl, Weizenkeimöl, Tofu und grünes Blattgemüse. Denn diese Nahrungsmittel enthalten ebenfalls Omega-3-Fettsäuren. Olivenöl, Oliven und Avocados – einfach gesättigte Fettsäuren – unterstützen ebenfalls bei der Eindämmung von Entzündungen.

Welche Gemüse sind entzündungshemmend?

Der pflanzlichen Ernährung kommt grosse Bedeutung zu. Denn einerseits enthalten Pflanzen keine Arachidonsäure, andererseits liefern Gemüse und Früchte wertvolle Ballaststoffe, sind vollgepackt mit Vitaminen, Mineralstoffen und vor allem wertvollen sekundären Pflanzenstoffen. Diese sogenannten pflanzlichen Antioxidantien sind entzündungshemmend und schützen den Körper vor dem Angriff freier Radikale, welche die Zellen beschädigen. Wissenschaftler haben bereits Tausende von verschiedenen sekundären Pflanzenstoffen entdeckt. Eine besonders wichtige Rolle spielen Pflanzenfarbstoffe wie Anthocyane, Carotinoide und Flavonoide.

Flavonoide: kräftiges Rot, Blau, Hellgelb und Violett

Flavonoide sind beispielsweise in Brokkoli, Sellerie und Zwiebeln enthalten.

Carotinoide: Gelb, Orange, Rot und Grün

Carotinoide findet man etwa in Peperoni, Avocados, Rüebli, Tomaten, Fenchel und Salaten.

Anthocyane: Rot, Lila, Dunkelblau und Schwarz

Anthocyane sind in Auberginen, Randen, Rotkohl und roten Zwiebeln enthalten.

Um möglichst von allen entzündungshemmenden Stoffen zu profitieren, sollte das Aufgetischte daher möglichst farbig aussehen. Frei nach dem Motto: Iss den ganzen Regenbogen.

Welches Obst ist der ideale Entzündungshemmer?

Bei den Früchten gilt dasselbe wie beim Gemüse: Möglichst bunt sollte der Teller sein. Da Früchte viel Zucker enthalten, sollte man nicht zu viel davon essen. Die Faustregel lautet: Auf eine tägliche Menge von mindestens drei Händen voll Gemüse kommen maximal zwei Handvoll Obst. Sekundäre Pflanzenstoffe sind beispielsweise in Äpfeln und Weintrauben enthalten (Flavonoide), in Aprikosen und Melonen (Carotinoide) sowie in schwarzen Johannisbeeren, Brombeeren und Heidelbeeren, Kirschen, dunklen Weintrauben, Zwetschgen und Pflaumen (Anthocyane). Die Helden unter den antientzündlichen Nahrungsmitteln sind Beeren, allen voran Heidelbeeren, welche die höchste antioxidative Kraft haben. Eine Studie hat gezeigt, dass der regelmässige Genuss von Heidelbeeren das Risiko, an Demenz zu erkranken, erheblich reduziert.

Wichtige entzündungshemmende Lebensmittel:

  • Brokkoli enthält zahlreiche sekundäre Pflanzenstoffe in sehr hoher Konzentration und wirkt besonders gegen Entzündungen.
  • Alle Kohlarten wie Rosenkohl, Blumenkohl, Weisskabis, Rotkohl, Federkohl und Palmkohl gelten explizit als antientzündliche Gemüse.
  • Zwiebel, Knoblauch, Lauch und Schnittlauch enthalten Stoffe, die antioxidativ, antibakteriell und gegen Entzündungen wirken.
  • Ingwer und Kurkuma enthalten entzündungshemmende Pflanzenstoffe.
  • Heidelbeeren, aber auch Himbeeren und Brombeeren, strotzen nur so vor Antioxidantien.
  • Walnüsse, Lein-, Hanf- und Chiasamen sind wichtige Quellen von Omega-3-Fettsäuren.
  • Fetter Fisch wie Makrele oder Lachs enthält eine weitere Form der Omega-3-Fettsäuren.
  • Oliven, Olivenöl, Rapsöl und Avocados sind wegen der einfach ungesättigten Fettsäuren in der antiinflammatorischen Ernährung wertvoll.
  • Aromatische Kräuter wie Oregano, Basilikum, Rosmarin, Majoran, Thymian und Salbei wirken ebenfalls entzündungshemmend.

Sind Milch und Milchprodukte entzündungsfördernd?

Fakt ist: Milch und Milchprodukte enthalten Arachidonsäure. Während allerdings viele Studien aussagen, dass Milch dennoch kein Entzündungstreiber sei oder gar entzündungshemmende Eigenschaften habe, kommen andere zum gegenteiligen Schluss. Das Problem in dieser Diskussion: Ein Grossteil der Studien wurden von der Milchindustrie bezahlt. Bas Kast, Autor von «Der Ernährungskompass», erwähnt aber auch, dass die Anti-Milch-Fraktion ebenso Daten verzerrt, um die Schädlichkeit von Milch zu untermauern. Eine objektive Übersicht, so Kast, gestalte sich daher schwierig.

Die Antwort auf die Frage, ob Milchprodukte Entzündungen hervorrufen, bleibt offen und ist Gegenstand hitziger Diskussionen. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Eine milchfreie Ernährung ist durchaus ausgewogen und gesund, der Grossteil der Weltbevölkerung hat keine Milch auf dem Speiseplan. Bas Kast schreibt: «Es gibt gesündere Kalziumquellen als Milch, wie eben Joghurt und Käse, aber auch Vollkornprodukte und grünes Gemüse, insbesondere Grünkohl und Brokkoli.» Wer hingegen Milch mag, muss nicht zwingend darauf verzichten. Gegen einen mässigen Konsum von Milch – am besten Biomilch von Kühen in Weidehaltung – gibt es keine eindeutigen Argumente.

Rheuma, Psoriasis, Morbus Crohn: Ernährung bei entzündlichen Erkrankungen

Die Anti-Entzündungskost ist sowohl vorbeugend wie auch behandelnd sinnvoll. Gerade von Rheuma und Arthritis sowie Psoriasis, aber auch entzündlichen Darmkrankheiten wie Morbus Crohn Betroffene profitieren stark von der antientzündlichen Ernährung. Denn sie kann Schmerzen lindern, einen Nährstoffmangel beheben und generell Entzündungen eindämmen. Eine angepasste Ernährung begleitet die jeweilige Therapie, wobei sich Betroffene von Fachleuten individuell beraten lassen sollten.

So wichtig eine entzündungshemmende Ernährung auch sein mag, sollte man sich dennoch nicht auf sie versteifen. Auch die Lebensweise spielt eine wesentliche Rolle: Stress, Bewegungsmangel, Rauchen und Alkohol in grösseren Mengen fördern Entzündungen. Daher schreibt Martin Kreutzer in «Die Anti-Entzündungs-Diät» auch: «Die beste Medizin ist immer noch die Kombination von gesundem Essen mit Bewegung, Wasser, frischer Luft und ausreichend erholsamem Schlaf.»

Nahrung fürs Gehirn und für den Körper

  • Der Wissenschaftsjournalist Bas Kast hat sich einen Überblick über Tausende Studien verschafft: «Der Ernährungskompass. Das Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung», Bas Kast, 2022
  • Kompaktes und übersichtliches Wissen zur antientzündlichen Ernährung – nicht nur für Rheumabetroffene: «Genuss mit Wirkung. Ernährung bei entzündlichem Rheuma», Rheumaliga Schweiz, 2022
  • Überblick über die theoretischen Hintergründe sowie gesunde und leckere Rezepte: «Die Anti-Entzündungs-Diät», Martin Kreutzer und Anne Larsen, 2021 (5. Auflage)

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