Hier finden Sie seriöse Gesundheitsinfos

Jeder tut es: nach Symptomen googeln. Beruhigend ist die Recherche in Eigenregie selten. Doch es gibt sie, seriöse Gesundheitsinformationen ausserhalb der Arztpraxis. Experten verraten, wo man sie findet.

Text: Katharina Rilling; Foto: Sanitas

Ob der Knoten hinter dem Ohr oder der Ausschlag am Unterarm – die meisten Menschen mit Beschwerden wenden sich zunächst an «Dr. Google»: Da werden Symptome gesucht, Foren durchforstet und Ratgeber gelesen. Gehen die Patienten danach zum Arzt, haben sie sich oft schon lange mit ihrer vermeintlichen Krankheit auseinandergesetzt. 

Fünf Experten verraten, welche Informationsmöglichkeiten sie besonders empfehlen:

Gute Anlaufstellen zur Recherche bei Kinderkrankheiten

Reto Villiger, Kinderarzt in Wettingen: «Je vielfältiger die Symptome, desto eher kommt man mit dem Internet nicht zum Ziel.»

«Es kommt regelmässig vor, dass Eltern im Internet Informationen zu bestimmten Krankheiten oder Symptomen ihrer Kinder suchen. Ich erlebe das häufig im positiven Sinne: Die Eltern haben sich schon Gedanken über eine Krankheit gemacht und ich muss nicht mehr so weit ausholen. Eine derartige Suche kann aber auch stark verunsichern, sodass es ein erklärendes Gespräch mit dem Arzt braucht, denn das Internet ist ein Sammelbecken von Informationen sehr unterschiedlicher Qualität, und oft ist es für medizinische Laien schwierig, die Qualität einer Information richtig einzuordnen.

Das Web ist auch deutlich besser darin, Informationen zu bereits gestellten Diagnosen zu liefern als anhand des Beschwerdebilds im ‹Do it yourself›-Modus eine Diagnose zu stellen. Grundsätzlich gilt: Der Arzt sollte immer dann konsultiert werden, wenn Hinweise auf eine gefährliche Krankheit vorliegen.»

Tipps:

  • Offizielle Stellen: Kostenlose und qualitativ gute Informationen zu Krankheiten findet man auf Websites medizinischer Fachgesellschaften wie der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie, der Gesundheitsdepartemente (zum Beispiel www.bag.admin.ch) oder krankheitsspezifischer Organisationen wie der Lungenliga Schweiz (Lungenprobleme) oder des Allergiezentrums Schweiz aha!. Der Nachteil: Diese Informationen sind meist nicht symptomorientiert.
  • Bücher zum Download: Für Eltern kleiner Kinder ist das Buch «Lisa, Daniel und ...» empfehlenswert, da es nach Symptomen gegliedert ist.
  • Wegweiser: Für Familien mit Migrationshintergrund ist der Gesundheitswegweiser Schweiz sinnvoll. Er erklärt das Schweizer Gesundheitssystem in vielen Sprachen.
  • «Als fachlich fundierte kostenlose Plattform kann ich Medscape.com empfehlen. Dort findet man spannende Artikel und aktuelle Erkenntnisse rund um die Gesundheit.»

Arztbriefe und Befunde besser verstehen

Beatrice Brülke, Beratungsplattform «washabich.ch»: «Alle Patienten sollen verständliche Informationen erhalten»

«An uns wenden sich Patienten mit Befunden und Arztbriefen aus allen medizinischen Bereichen, die Schwierigkeiten mit dem Ärztelatein haben. Auf unserer Plattform ‹Was hab’ ich?› übersetzen Medizinstudierende und Ärzte diese Dokumente – ehrenamtlich und kostenlos – in eine verständliche Sprache. Sie übersetzen aber nicht nur Wort für Wort, sondern liefern auch Hintergrundinformationen, die nötig sind, um den Befund wirklich zu verstehen.

Viele Patienten melden zurück, dass sie ihre Erkrankung endlich richtig erfasst hätten und dadurch bewusster mit ihr umgehen können. Nicht wenige verhalten sich gesundheitsbewusster, machen etwa mehr Sport oder sind therapietreuer.Der Bedarf war von Anfang an gross: Nach nur zwölf Minuten online wurde der erste Befund eingesendet, nach vier Wochen waren es bereits 500 Einsendungen. Das war im Januar 2011. Nächstes Jahr feiern wir unser 10-Jahres-Jubiläum. Bis heute haben sich über 2200 Mediziner bei ‹Was hab’ ich?› engagiert und mehr als 45 000 Befunde für Patienten übersetzt.

Unsere Mission? In Zukunft sollen alle Patienten gute Gesundheitsinformationen erhalten. Das Konzept für den Patientenbrief – einen leicht verständlichen Arztbrief, den der Patient erhält – kommt zum Beispiel von uns. Zudem haben wir eine Kommunikationsausbildung für Mediziner entwickelt. Sie lernen im Wahlfach an Universitäten, wie man mit Patienten auf Augenhöhe spricht.»

Tipps:

  • Bei ‹Was hab’ ich?› nachlesen oder Befund einreichen. Unsere wichtigsten Tipps zum Thema haben wir hier gesammelt.
  • Wir haben auf befunddolmetscher.de viele Fachbegriffe bereits leicht verständlich erklärt, sodass der Patient diese selbst nachschlagen kann.

Bewertungsplattformen: Vorsicht ist geboten

Erika Ziltener, Präsidentin Dachverband Schweizerischer Patientenstellen:«Bewertungsplattformen sind mit Vorsicht zu geniessen.»

«Ist die Google-Suche in Bezug auf medizinische Informationen Fluch oder Segen? Meine Erfahrung ist: Sie kann Ängste massiv verstärken. Das Problem ist, dass die Qualitätskontrolle fehlt. Ich kann als Patient oder Patientin gute Informationen finden, aber auch kompletten Unsinn oder Halbwahrheiten. Möchte sich jemand über die Qualität bestimmter Spitäler oder Ärzte im Vorfeld informieren, wird es besonders schwierig.

Bisher gibt es meiner Meinung nach keine einzige Bewertungsplattform in diesem Bereich, die für Laien wirklich brauchbar wäre. Sie sind also mit Vorsicht zu geniessen, da die Zufriedenheit mit dem Arzt oder der Behandlung stark vom Heilungserfolg abhängt. Wer geheilt wird, ist natürlich zufriedener.»

Tipps:

  • Patientenrechte: Bei der Patientenstelle Infos über seine Rechte als Patient anfordern. Jeder hat zum Beispiel das Recht auf sein vollständiges Patientendossier. Und: Einmal im Monat bietet die Patientenstelle einen kostenlosen Beratungstag an.
  • Vor der Behandlung: Statt auf Bestenlisten und Vergleichsportale im Internet zu setzen, lieber beim Hausarzt des Vertrauens oder bei der Patientenstelle nachfragen. Als bestes Bewertungsportal gilt übrigens ANQ – allerdings sind die Informationen für Laien schwer zu verstehen. Gerne unterstützt Sie die Patientenstelle dabei.
  • Viele Spitäler haben sehr gute Checklisten und Merkblätter erarbeitet. Zu finden auf den jeweiligen Websites oder in Papierform zum Anfordern.
  • Holen Sie sich vor grösseren Eingriffen unbedingt eine unabhängige Zweitmeinung ein, also von einem Mediziner aus einem anderen Spital. Wichtig: Es sollte klar sein, dass er den Eingriff später nicht selbst vornehmen wird.
  • Die eigene Haltung: Informieren, überprüfen, Fragen stellen. Prüfen Sie, ob der zu erwartende Nutzen einer Behandlung die Lebensqualität positiv beeinflusst und ob das Nutzen-Risiko-Verhältnis aufgeht. Bleiben Sie hartnäckig und kritisch, tauschen Sie sich aus und nehmen Sie sich Bedenkzeit. So werden Sie zum mündigen Patienten.  

Gute Informationsstellen bei psychischen Problemen

Marcel Wisler, Co-Leiter Gesundheitsförderung bei inCLOUsiv: «Wir vernetzen virtuell miteinander»

«Die Plattform inCLOUsiv wurde nach Ausbruch der Corona-Pandemie aufgeschaltet, um Unterstützung in Sachen psychische Gesundheit zu bieten. Wir haben aber die Vision, Betroffene, Angehörige und Fachpersonen auch langfristig miteinander zu vernetzen. Soziale Inklusion, gesellschaftliche Teilhabe und Mitsprachemöglichkeiten sind wichtige Punkte, wenn es um die psychische Gesundheit geht.

Die Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten – unabhängig von Zeit und Ort –, wenn es um Informationsaustausch und soziale Vernetzung geht. Bis Frühjahr 2021 wird die Plattform mit unterschiedlichen Themen präsent sein. Dabei möchten wir auch herausfinden, welches die Bedürfnisse der Nutzer und Nutzerinnen sind.»

Tipps:

  • inCLOUsiv-Foren: In unseren Foren kann niederschwellig und zu aktuellen Themen diskutiert werden. Wir bieten mehrere begleitete / moderierte Foren an.
  • Der Livestream: Hier stehen Betroffene sowie Fachexperten und -expertinnen jeweils eine Stunde live zur Verfügung. Es können Fragen gestellt werden, die Livestreams sind moderiert. So kann direkt auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden eingegangen werden. Wir bieten unterschiedliche Themen an, so zum Beispiel einen Generationen-Talk, einen Polit-Talk und Gespräche mit Fachpersonen.
  • Magazin «Kontext»: Unser Fachmagazin erscheint zweimal jährlich. Damit wird eine breite Palette an Themen zur psychischen Gesundheit abgedeckt.
  • Weiter sind diese Links zum Thema psychische Gesundheit empfehlenswert: Pro mente sana (u.a. Beratung und Ratgeber), Ensa (Erste Hilfe für die psychische Gesundheit) und Wie geht's dir? (Kampagne: So redet man über Themen rund um die Psyche)

Mehr menschliche Anlaufstellen in der Medizin

Annina Hess-Cabalzar, Präsidentin Akademie Menschenmedizin (amm): «Es fehlt oft an Bezugspersonen, welche die Lebensgeschichte kennen»

«Brauche ich diese Operation wirklich? Wo liegen die Grenzen der Medizin? Muss ich sofort handeln oder kann ich zuwarten? Im Bistrot Chez Marion (Zürich) stehen zweimal monatlich pensionierte Ärztinnen und Ärzte, aber auch Psychologinnen, Sozialarbeiter und andere Fachpersonen für eine kostenlose Beratung zur Verfügung. Das ‹amm Café Med› ist ein Angebot für alle Generationen; für verunsicherte Patienten, für Angehörige, aber auch für Fachpersonen.

Das Besondere: In ungezwungener Atmosphäre sitzt man an einem Tisch beisammen und unterhält sich. Im Gespräch ohne Zeitdruck hören die Fachpersonen zu und helfen dabei, die richtige Entscheidung zu treffen. Wichtig ist, dass die Fachpersonen keine Diagnosen stellen und keine Therapien verordnen. Sie setzen sich aber mit den Ratsuchenden auseinander und erklären medizinische Informationen in verständlicher Sprache.

Die meisten Hilfesuchenden möchten, unabhängig vom medizinischen Thema, Sicherheit und Vertrauen in ihren Weg gewinnen. Mein persönliches Learning aus den Gesprächen ist: Es fehlt oft an Hausärzten, also Bezugspersonen, die die Lebensgeschichte kennen, das Kranksein begleiten und angepasste Behandlungen oder Grenzen empfehlen.»

Tipp:

  • Das Angebot von Akademie Menschenmedizin (amm) gibt es in folgenden Städten: Zürich, Luzern, Winterthur und Basel sowie ab September 2020 in Bern. In Vorbereitung: St. Gallen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Alle Informationen zu Konzept, Daten und Fachpersonen finden Sie hier.
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