Mit Phytotherapie durch die Wechseljahre
Gynäkologin Gesa Otti-Rosebrock vertraut auf die Möglichkeiten der Phytotherapie. Deshalb setzt sie bei vielen ihrer Patientinnen ganz auf Medikamente aus Heilpflanzen.
Von links nach rechts. Von rechts nach links. Stundenlang wälzte sich Sandrine Kahn von einer Seite auf die andere, konnte plötzlich nicht mehr einschlafen. Obwohl die 51-Jährige müde ins Bett fiel, blieb der ersehnte Schlaf aus. Döste sie doch ein, erwachte sie schweissgebadet. Mehrmals in der Nacht wechselte sie ihren Pyjama. «Der war pfludinass!» Heute lacht Sandrine Kahn, wenn sie über die durchwachten Nächte spricht.
Damals sei sie aber «total kaputt» gewesen. Hinzu kamen Schwindel, Konzentrationsschwierigkeiten und Stimmungsschwankungen – typische Symptome der Wechseljahre. Rat suchte sie bei ihrer Frauenärztin Gesa Otti-Rosebrock von der Praxis Frauenmedizin in Biel. Ihr Arzneimittelschrank ist zum Grossteil mit Medikamenten bestückt, die auf die Heilkraft von Pflanzen setzen. Denn Otti-Rosebrock ist Gynäkologin und im Vorstand der Schweizerischen Medizinischen Gesellschaft für Phytotherapie (SMGP).
Traubensilberkerze gegen Hitzewallungen
Tatsächlich: Die hormonellen Untersuchungen zeigten klar, dass Sandrine Kahn in den Wechseljahren war. Ihre Ärztin schlug ihr deshalb folgende Behandlung vor: Traubensilberkerze, hoch dosiert, gegen Hitzewallungen und andere klimakterische Symptome. Ginkgo, hoch dosiert, gegen Schwindel und Konzentrationsschwierigkeiten sowie Salbei gegen das nächtliche Schwitzen. «Ich bin überhaupt nicht gegen die Schulmedizin», sagt Kahn, die bei Rücken- und Kopfschmerzen nicht zögert, Schmerzmittel zu nehmen, «aber ich dachte, hier braucht es nicht noch mehr Chemie.»
Ohne die Phytotherapie gäbe es die klassische Schulmedizin nicht, schreibt die SMGP auf ihrer Website. Denn viele Wirkstoffe, die die heutige Schulmedizin einsetzt, stammen von ihrer Grundstruktur her aus der Natur. Im 19. Jahrhundert, als die Naturwissenschaften Fahrt aufnahmen, wurden pflanzliche Reinsubstanzen isoliert und chemisch-synthetisch nachgebaut. Wie die Schulmedizin muss auch die Phytotherapie wissenschaftliche Standards erfüllen.
Die phytotherapeutischen Medikamente, die Fachärztinnen wie Gesa Otti-Rosebrock verschreiben, sind häufig im Kompendium zu finden, dem Arzneimittelverzeichnis, das die offiziellen Informationen für Medikamente des Schweizer Marktes enthält. Neben der Behandlung von Wechseljahresbeschwerden werden auch bei der Immunabwehr, bei Atemwegserkrankungen, Hautkrankheiten oder Rheumaleiden gute Resultate erzielt.
Geduld wird belohnt
Die Gynäkologin Otti-Rosebrock veranschaulicht den Unterschied zwischen Phytotherapie und Schulmedizin mit Blumen: «Phytotherapie ist ein Blumenstrauss. Schulmedizin eine Rose. Die Rose kann einzeln verschenkt werden, hat aber Dornen. Klassische Medikamente wirken schnell, sie bestehen aus einem einzigen Wirkstoff, können aber Nebenwirkungen haben. Ein Phytotherapeutikum wird aus der ganzen Pflanze oder Teilen davon gewonnen. Es enthält verschiedene Stoffe, die sich ergänzen. Doch im Gegensatz zur Schulmedizin wirkt die Phytotherapie oft nicht sofort, sondern braucht etwas Geduld.»
Die sich für Sandrine Kahn gelohnt hat. Die Tabletten aus Ginkgoblättern gegen den Schwindel konnte sie bereits nach einigen Wochen absetzen. Diejenigen aus der Traubensilberkerzenwurzel stabilisierten ihre Stimmung, sie ist ausgeglichener und schläft wieder durch. Kahns «Wundermitteli» sind aber die Tabletten aus Salbeiblättern: «Seit der ersten Einnahme habe ich keine Nacht mehr geschwitzt.»
Die Lieblingspflanzen der Gynäkologin
Gesa Otti-Rosebrocks Lieblingspflanze ist der Ginkgo – eine der ältesten Heilpflanzen. Er verbessert die Durchblutung und man erhofft sich von ihm auch Fortschritte in der Demenzforschung.
Ausserdem der Granatapfel, die Frucht der Aphrodite. Granatapfelöl steht wohl bei fast jeder ihrer Patientinnen auf dem Nachttisch. Es pflegt die Schleimhaut im Intimbereich, die gerade während der Wechseljahre trockener wird, und eignet sich ausserdem hervorragend als natürliches Gleitmittel beim Sex.