Ambulante Herz-OP: medizinische Zukunft?
Ambulante Eingriffe revolutionieren die Medizin: Herzoperationen ohne Übernachtung im Krankenhaus etwa werden immer häufiger. Skandinavien und die USA setzen schon stark darauf, die Schweiz folgt langsam.
Am Morgen ins Krankenhaus gehen, einen Eingriff am Herzen vornehmen lassen und am Abend wieder im eigenen Bett einschlafen: Klingt für Sie utopisch? Ist es aber nicht. In den letzten Jahren zeichnet sich immer deutlicher ab: Ambulante Eingriffe sind die Zukunft. In Skandinavien finden bereits über 60 Prozent der Operationen ambulant statt, in den USA gar 80 Prozent. Auch die Schweiz bewegt sich – wenn auch deutlich langsamer – in diese Richtung.
Bereits im Jahr 2019 wurden sechs Gruppen von Eingriffen definiert, die standardmässig nur noch ambulant durchgeführt werden. Dazu zählen etwa Krampfaderoperationen an den Beinen, Eingriffe bei Hämorrhoiden, Leistenhernienoperationen, Untersuchungen und Eingriffe am Gebärmutterhals oder an der Gebärmutter, verschiedene minimalinvasive Verfahren zur Behandlung von Meniskus- und Kreuzbandverletzungen sowie Eingriffe an den Rachenmandeln.
Herzkatheter häufig ambulant eingesetzt
Dank der rasanten Entwicklung der Medizintechnik sind aber mittlerweile selbst Eingriffe am Herzen ohne tagelange Hospitalisation möglich. «Eingriffe am Herzen sind nicht immer gross und komplex. Es gibt auch kleinere Behandlungen, die je nach körperlicher Verfassung und Alter des Patienten oder der Patientin problemlos ambulant durchgeführt werden können», erklärt Anja Fäh, Fachärztin für Kardiologie und Belegärztin an der Hirslanden Klinik Im Park. Dazu gehören etwa das Einsetzen von Herzschrittmachern und das Auswechseln von Batterien. Auch die Behandlung von Herzrhythmusstörungen kann in gewissen Fällen effizient und ohne Übernachtung im Spital erfolgen.
Weitaus am häufigsten, erklärt die Fachärztin, sei allerdings die ambulante Durchführung eines Herzkatheters. «In der Regel wenden sich Patienten an mich, wenn sie unter Atemnot leiden, Druck auf der Brust verspüren und/oder weniger belastungsfähig sind als früher», erzählt Fäh. In diesen Fällen schlägt die Ärztin eine ambulante Vorabklärung vor, die unter anderem ein EKG, einen Herzultraschall und einen Belastungstest beinhaltet. «Findet man in diesem Rahmen irgendwelche Auffälligkeiten, kann ein Herzkatheter eine sinnvolle Weiterabklärung darstellen, um beispielsweise einen Herzinfarkt zu verhindern», so Fäh weiter. Wenn es keine Anzeichen dafür gebe, dass ein solcher unmittelbar bevorstehe, lasse sich der Eingriff gut planen und ambulant durchführen.
Der Tag des Eingriffs
Nach dem Eintritt ins Spital werden die Betroffenen auf den Eingriff vorbereitet. Die Untersuchung selbst wird dann im Herzkatheterlabor unter Lokalanästhesie vorgenommen. Der dünne Katheder wird von der Punktionsstelle am Handgelenk oder in der Leiste aus bis ins Herz geschoben. «Der Patient oder die Patientin spürt dabei keine Schmerzen, da die Gefässe innen keine sensiblen Nerven haben», versichert Fäh. Wem beim Gedanken daran allerdings etwas unwohl ist, der kann auch ein leichtes Schlafmittel verlangen.
Dank einem Kontrastmittel, das direkt in die Gefässe gegeben wird, sehen Fachpersonen die entsprechenden Engstellen. «Sind starke Verengungen der Gefässe vorhanden, können wir im besten Fall in derselben Behandlung diese Engstelle mit einem Ballon aufdehnen», so Fäh. Nach der Untersuchung müssen die Patient:innen noch einige Stunden im Spital bleiben, um mögliche Nachblutungen sofort behandeln zu können.
Diese Entwicklung erweist sich für viele Patient:innen als vorteilhaft, da die Eingriffe mit einem deutlich geringeren Zeitaufwand durchgeführt werden können. In den ambulanten Operationszentren der Hirslanden-Gruppe beispielsweise verbringen sie lediglich zwei bis sechs Stunden, bevor sie bereits am Abend wieder in die eigenen vier Wänden zurückkehren. So können sie sich in ihrer vertrauten Umgebung erholen, ohne sich dem strukturierten Tagesablauf eines Krankenhauses anpassen zu müssen.
Ein weiterer Pluspunkt ist die durchgängige Betreuung durch dasselbe medizinische Personal. Während ambulanten Eingriffen gibt es häufig keine Schichtwechsel, was bedeutet, dass der Patient oder die Patientin von denselben Ansprechpartnern empfangen und verabschiedet wird. Dies trägt nicht nur zu einer persönlicheren Betreuung bei, sondern stellt auch sicher, dass bei der Übergabe von Patientendossiers nichts vergessen geht.
Nachsorgekonzept sorgt für Sicherheit
Obwohl das neue System der ambulanten Operationen viele Vorteile bietet, haben Patienten und Patientinnen oft Bedenken hinsichtlich der Sicherheit. «Viele Menschen sind froh, dass sie nicht im Krankenhaus übernachten müssen, zeigen sich aber auch sehr erstaunt darüber, dass ein Eingriff am Herzen ambulant durchgeführt werden kann», berichtet Anja Fäh.
Sie wird deshalb häufig gefragt, ob die ambulante Versorgung genauso gut und sicher sei wie die stationäre. Sie betont, dass es zwischen einem ambulanten und einem stationären Eingriff keinen Unterschied gibt, sobald die Tür zum Operationssaal geöffnet wird.
Der Unterschied liegt lediglich in der Vorbereitung und Nachsorge. Nach der Operation erhalten die Patient:innen ein detailliertes Nachsorgekonzept und können den zuständigen Facharzt jederzeit über eine Notfallnummer erreichen. «Tatsächlich stellen wir fest, dass Patienten und Patientinnen bei ambulanten Eingriffen vermehrt anrufen und sicherstellen wollen, dass der Heilungsprozess nach Plan verläuft», erklärt Fäh.
Insbesondere bei der Herzkatheterbehandlung kann es etwa zu Blutergüssen oder leichten Schwellungen kommen. «Das sieht für ein paar Tage unschön aus, ist aber in aller Regel harmlos – trotzdem ist es gut, dass sich die Patient:innen melden. Ich sage ihnen stets: Lieber einmal zu häufig anrufen als einmal zu wenig.»
Manchmal lohnt sich der stationäre Aufenthalt
Trotz aller medizinischen Möglichkeiten zeigt sich, dass die meisten ambulanten Eingriffe bei jüngeren Menschen in guter Verfassung durchgeführt werden, während ältere Patient:innen im Zweifelsfall hospitalisiert werden. Das liegt vor allem daran, dass mit zunehmendem Alter häufig nicht nur ein einzelnes medizinisches Problem vorliegt, sondern mehrere. «In solchen Fällen ist es wichtig, dass wir die Person lange genug beobachten und im Notfall schnell reagieren können», erklärt Fäh.
Auch alleinstehende Personen sind unter Umständen stationär besser aufgehoben, weil sie im Ernstfall zu Hause keine helfende Hand haben, die sie unterstützt. «Wir schauen uns stets die Gesamtsituation an, besprechen sie mit den Patient:innen und entscheiden dann, welches die beste Variante für ihn oder sie ist», bestätigt Fäh.
Herzinfarkt – unsichtbare Bedrohung
Der Herzinfarkt zählt zu den häufigsten Herzerkrankungen und wird durch den plötzlichen Verschluss einer Herzkranzarterie ausgelöst. Jahrelang bestehende Risikofaktoren wie Übergewicht, Bluthochdruck, Rauchen oder Bewegungsmangel können dazu beitragen.
Ein Herzinfarkt ist lebensbedrohlich, da der Verschluss einer oder mehrerer Herzkranzarterien zu einer anhaltenden Minderversorgung des Herzmuskels mit Blut führt. Je nach betroffener Arterie variieren die Auswirkungen – im schlimmsten Fall kann es zum Herzstillstand kommen. Deshalb ist schnelle medizinische Hilfe entscheidend.
Umso wichtiger ist es, die Symptome zu kennen und richtig zu deuten:
- Starke Schmerzen hinter dem Brustbein, mögliche Ausstrahlung in den linken Arm, Schulter, Unterkiefer oder Oberbauch
- Extreme Unruhe oder Todesangst
- Blassgraue Gesichtsfarbe
- Schwächegefühl
Erste Hilfe ist essenziell
Alarmieren Sie bei Verdacht auf einen Herzinfarkt sofort den Rettungsdienst. Überprüfen Sie Bewusstsein, Atmung und Lebenszeichen. Bei einem Kreislaufstillstand müssen Sie sofort mit einer Herz-Lungen-Wiederbelebung beginnen.
Ist die betroffene Person bei Bewusstsein, sollten Sie sie mit erhöhtem Oberkörper schonend lagern, enge Kleidung öffnen und die Person vor neugierigen Blicken schützen. Überwachen Sie den Kreislauf, bis der Rettungsdienst eintrifft.