Stilchaos? Yogaarten im Überblick

Yoga ist nicht gleich Yoga. Wer sich in den verschiedenen Studios umschaut, entdeckt ganz unterschiedliche Stile. Doch was verbirgt sich hinter den exotisch klingenden Begriffen? Wir klären auf – von A wie Anusara-Yoga bis Y wie Yin-Yoga.

Text: Julie Freudiger; Foto: Unsplash/Oksana Taran

Wer heutzutage in eine Yogastunde gehen möchte, findet sich vor einem riesigen Angebot wieder. Das Spektrum reicht von schweisstreibend und kräfteraubend über fliessend und ruhig bis hin zu meditativ und spirituell. Zudem tauchen immer kreativere Varianten auf. Beispielsweise Yoga auf dem Stand-up-Paddle (SUP), Aerial Yoga, bei dem man in Tüchern über dem Boden schwebt, Acro-Yoga, das Akrobatik und Partneryoga vereint, oder sogar Goat-Yoga, bei dem Ziegen auf den Yogis herumturnen. Die folgende Übersicht über Yogastile, die sich auf die rein körperliche Praxis bezieht, ist daher bei Weitem nicht abschliessend – aber ein erster Anhaltspunkt.

Anusara-Yoga: herzöffnend und akkurat

Der sehr junge Yogastil, der 1997 in den USA begründet wurde, stellt einerseits eine sehr präzise Ausrichtung der Asanas (Posen) ins Zentrum und andererseits eine herzorientierte, lebensbejahende Philosophie. Als Auftakt einer Anusara-Stunde hält der Lehrer oder die Lehrerin einen kurzen Vortrag, um eine Einführung in das philosophische Thema der Stunde zu geben. Anusara-Yoga ist eine intensive physische Hatha-Yoga-Praxis (siehe unten), die spirituell inspirieren soll.

Ashtanga-Yoga: kräfteraubend und fordernd

Ashtanga-Yoga ist ein dynamischer und körperlich sehr fordernder Yogastil, bei dem Asanas (Posen) in einer definierten Abfolge verbunden werden. Insgesamt gibt es sechs Serien, die aufeinander aufbauen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Atmung, die mit den Bewegungen synchronisiert wird – was einen Zustand der Meditation und der inneren Ruhe erzeugen kann. Traditionellerweise praktiziert jeder für sich in seinem eigenen Tempo und der Lehrer korrigiert individuell. Ashtanga-Yoga ist die Grundlage für moderne, dynamische Stilrichtungen wie Vinyasa-, Jivamukti- oder Power-Yoga.

Hatha-Yoga: traditionell und ruhig

Hatha-Yoga, das seine Wurzeln im 8. Jahrhundert n. Chr. hat, ist die Basis der meisten körperlichen Yogastile, die heute praktiziert werden. Die körperliche Praxis hat dabei das spirituelle Ziel, ein höheres Bewusstsein zu erlangen. Im traditionellen Hatha-Yoga, einer eher ruhigen Praxis, werden die Asanas (Posen) sehr bewusst ausgeführt und länger gehalten. Meditation und Atemübungen sind meistens ebenfalls Teil der Yogastunde. Eine Stilrichtung neueren Datums ist der Hatha Flow, bei dem die Übergänge fliessender sind als im traditionellen Hatha-Yoga.

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Iyengar-Yoga: präzise und kräftigend

Der von Bellur Krishnamachar Sundararaja Iyengar in den 1940er gegründete Yogastil fokussiert auf eine korrekte Ausrichtung der Asanas (Posen). Diverse Hilfsmittel wie Yogablock, -stuhl, -gurt oder -bolster unterstützen die Schüler dabei, die Übungen präzise auszuführen – gerade für Anfänger und Menschen, die (noch) nicht sehr beweglich oder kräftig sind, eine gute Hilfestellung. In einer Iyengar-Klasse werden die Posen lange gehalten, was durchaus anstrengend werden kann. Spirituelle Elemente kommen während der körperlichen Praxis eher weniger zum Zug und hängen vom Lehrer ab.

Jivamukti-Yoga: musikalisch und fliessend

Ein schweisstreibender, moderner und fliessender Yogastil, der erst 1984 in New York gegründet wurde. Jivamukti-Yoga verbindet die körperliche Praxis mit tiefgründiger Yogaphilosophie. Wichtige Bestandteile sind zudem Musik, das Singen von Mantras und Meditation. Alle Jivamukti-Lehrer weltweit richten ihre Klassen nach einem vorgegebenen Monatsthema aus. Zu Beginn der Stunde teilen sie ihre Gedanken oder rezitieren die alten Yogaschriften.

Kundalini-Yoga: spirituell und energetisch

Das Ziel von Kundalini-Yoga ist es, energetische Blockaden zu lösen und die ureigene innere Kraft zu wecken – die Kundalini-Energie. Es ist eine sehr spirituelle Praxis, die aber auch körperlich fordernd ist: Die dynamischen Bewegungsabläufe dauern oft mehrere Minuten, was meditativ wirken, aber auch intensiv werden kann. Teil der Praxis sind zudem das Singen von Mantras, Atemübungen und Meditation.

Vinyasa-Yoga: dynamisch und kreativ

Fliessende Bewegungen, die im Rhythmus des Atems und meistens auch von Musik ausgeführt werden: Im Vinyasa-Yoga oder Vinyasa Flow gehen die Asanas (Posen) dynamisch ineinander über. Es gibt keine vorgegebene Abfolge, jede Stunde ist anders. Die Übergänge sind dabei oft kreativ, die Posen werden nur kurz gehalten. Eine Vinyasa-Lektion ist körperlich eher fordernd, zum Ausklang werden aber ruhigere und entspannende Sequenzen eingebaut.

Yin-Yoga: beruhigend und erdend

Eine Yin-Yoga-Stunde ist sehr ruhig und entspannend. Die Posen werden nicht aktiv ausgeführt, sondern man lässt die Muskelanspannung komplett los und verweilt mehrere Minuten passiv in einer Pose. Was ganz schön intensiv werden kann – auf der körperlichen wie auch der mentalen Ebene. Besonders für sehr aktive Personen ist es oft herausfordernd, sich bis zu zehn Minuten ganz passiv zu entspannen. Yin-Yoga dehnt insbesondere die Faszien und das Bindegewebe.

Welcher Yogastil passt zu mir?

Oft tendiert man dazu, denjenigen Yogastil zu wählen, der dem eigenen Temperament entspricht. So gehen sportliche und aktive Menschen eher in eine fordernde Klasse, gemütliche Typen wählen eher eine entspannende Variante. Oft wäre aber gerade das Gegenteil optimal: Wer ständig auf Hochtouren läuft, benötigt Erdung und Ruhe; und wer kaum vom Sofa hochkommt, dem täte Aktivierung gut. Zumindest ab und zu lohnt sich der Gang in eine Yogastunde, die eher konträr zum aktuellen Lebensstil ist. Ein wichtiger Faktor dafür, ob man sich in einer Klasse wohlfühlt, ist zudem der Lehrer. Wie auch sonst im Leben ist es eine sehr individuelle Angelegenheit, ob die Chemie zwischen zwei Personen stimmt. Es hilft nur eins: ausprobieren.

Julie Freudiger ist Yogalehrerin und Ayurveda-Lifestyle-Coach. Sie unterrichtet in Zürich.

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