Krafttraining im Jugendalter

Mehr Kraft durch Training – wann ist der richtige Zeitpunkt für den Startschuss? Sportmedizinerin und Kinderärztin Susi Kriemler ist überzeugt, dass spielerischer Muskelaufbau nicht früh genug beginnen kann. Und dass Teenager durchaus ihren Platz im Fitnessstudio haben.

Text: Katharina Rilling; Foto: Luis Vidal / Unsplash

Jugendliche, die nicht nur die Schulbank, sondern auch Gewichte drücken und Muskeln aufbauen – was vor wenigen Jahren noch kritisch diskutiert wurde, gehört für viele junge Menschen heute einfach dazu. Auch Susi Kriemler vom Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention aus der Gruppe «Children Activity and Health» der Universität Zürich sieht den Trend hin zu immer jüngeren Kunden im Fitnessstudio. Sie relativiert aber: «Ich beobachte, dass die Schere aufgeht: Manche Jugendliche, vor allem junge Männer, trainieren immer mehr. Andere bewegen sich immer weniger und machen fast nichts mehr für ihre Fitness.»

Fest steht: Ein muskulöser Körper ist begehrt, er wirkt fit und gesund. Doch wie vernünftig ist Krafttraining für Menschen im Wachstum wirklich? Worauf müssen sie achten? Und ab welchem Alter dürfen/sollen sie im Fitnessstudio Gas geben?

Wann mit dem Krafttraining starten?

«Wer erst im Jugendalter oder als Erwachsener mit dem Sport anfängt, ist eigentlich schon zu spät dran. Je früher Bewegung zum Alltag gehört und je besser das Körpergefühl dadurch wird, desto mehr Freude macht das Training. Nur wer Spass hat, wird auch langfristig dranbleiben», ist sich Kriemler sicher, die als Kinderärztin und Sportmedizinerin die körperliche Aktivität in Zusammenhang mit der Gesundheit und Lebensqualität von Kindern untersucht. Kriemler empfiehlt spielerisches «Krafttraining» sogar schon ab dem Kleinkindalter. «Natürlich trainieren die Kinder nicht wie kleine Erwachsene an kleinen Geräten und Hanteln – sie sollen einfach ihre Freude an Bewegung ausleben und nach Lust und Laune herumtoben.» 

Warum Muskelaufbau als Kind und Teenager?

Vorurteile halten sich allerdings hartnäckig: Man zweifelt am Nutzen und sinniert über den Schaden, den Trainings mit Gewichten in jungen Jahren anrichten könnten. Fragt sich etwa, ob sie die Knochen schädigen oder das Wachstum hemmen. Und ob es für Kinder grundsätzlich überhaupt möglich ist, Kraft aufzubauen. «Es kursieren tatsächlich viele Ammenmärchen zum Thema», sagt die Expertin. Neueste internationale Forschungsberichte zeigen aber: Wenn Krafttraining richtig ausgeübt wird, steigert es sicher und effektiv die Kraft, erhöht die Knochendichte und schützt vor Verletzungen. Auch bei Kindern: «Sie bauen sogar verhältnismässig schneller Kraft auf und verbessern ihre Koordination flotter als Jugendliche oder Erwachsene», sagt Kriemler.

«Früher hat man den Ausdauersport als Gesundheitsfaktor in den Vordergrund gestellt. Heute weiss man: Auch Kraftsport gehört zu einem gesunden Leben dazu. Der Bewegungsapparat wird gestärkt, Knochen gewinnen durch Belastung an Stabilität, man wird resistenter gegenüber Schmerzen und Krankheiten und beugt Haltungsschäden vor. Kraftsport trägt auch zum psychischen Wohlbefinden bei. Und er ist eine wichtige Grundlage für andere Sportarten. Letztlich schafft man einfach mehr im Leben, wenn man Kraft und ein positives Körpergefühl hat.» 

Die Gefahr, seinen Körper zu schädigen, sieht Susi Kriemler kaum. «Prinzipiell kann jedes Kind jeden seiner Muskeln trainieren. Vergleicht man Krafttraining mit Fussball oder Handball, ist man auf einem ganz niedrigen Niveau in Sachen Verletzungsgefahr. Es passiert quasi nichts, wenn man sich an die Anleitungen hält.» Und schliesslich treten schon bei Kindern kurzzeitig hohe Kraftspitzen auf, etwa wenn sie von einer Mauer springen. Dies auszuhalten sei im Körper angelegt, meint Kriemler. Schädlich wird Krafttraining nur dann, wenn es zu intensiv, zu häufig oder falsch ausgeführt wird. Auch wer sich dabei einseitig ernährt, zu dubiosen Proteinmitteln aus dem Internet greift oder sich dopt, schadet seinem Körper.

Wie oft Krafttraining bei Jugendlichen?

Grundsätzlich empfehlen Experten Kindern, ohne Maschinen zu trainieren und ihre Kraft mit dem eigenen Körpergewicht spielerisch zu stärken. Sie sollten also keine schweren Lasten heben, sondern einfach bestimmte Bewegungen möglichst häufig ausführen. Junge Sportler ab etwa zehn Jahren hingegen können durchaus im Fitnessstudio an Geräten und Hanteln trainieren, vorausgesetzt, sie werden fachgerecht angeleitet und betreut, tasten sich mit leichten Gewichten an die Geräte heran und üben an Maschinen passender Grösse (siehe auch Dos and Don’ts). Idealerweise findet der Kraftaufbau zwei- bis dreimal die Woche statt und wird mit dem Training für andere Sportarten kombiniert. «Kinder und Jugendliche ab dem Schulalter sollten sich mindestens einmal am Tag eine Stunde sportlich betätigen und ihre Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit trainieren», so Kriemler.

Das Fazit? 

Krafttraining ist für Kinder und Jugendliche gesund und empfehlenswert – vorausgesetzt, es erfolgt kontrolliert und angeleitet. Und: Die Gefahr, auf dem Fussballplatz oder beim Biken zu verunfallen, ist um ein Vielfaches grösser, als sich im Fitnessstudio zu verletzen.

Do's

  • Früh übt sich: Raus auf den Spielplatz, in den Wald oder in den Garten! Eltern können Kraft,  Freude an Bewegung und ein gutes Körpergefühl schon bei den Kleinsten fördern: Das Klettern auf einem Spielturm, sich an einer Stange hochziehen, Fussball und Fangen spielen oder spielerische Übungen wie auf allen vieren laufen sind Kraftübungen. «Hauptsache Bewegung!», sagt Kriemler. «Kinder im Vorschulalter bis zu fünf Jahren sollten sich drei Stunden am Tag bewegen. Das ist die beste Vorbereitung auf ein aktives und gesundes Leben. Wichtig ist, dass es den Kindern Spass macht. Sonst verheizt man sie.» Bewegung mit anderen Kindern macht natürlich doppelt so viel Spass.
  • Informationen sammeln: Wer die Richtlinien und Empfehlungen für sein Alter kennt, trainiert gesünder. Ausserdem erkennen gut informierte Jugendliche seriöse Trainer und Fitnessstudios besser. 
  • Das eigene Gewicht nutzen: Für das Krafttraining mit Eigengewicht braucht es nicht viel, ausser sich selbst und etwas Platz. Viele Übungen zur Kräftigung des Körpers findet man gratis auf YouTube. Gerade im Bereich Pilates gibt es eine Vielzahl an guten Onlineangeboten.
  • Fitnessstudio - ja, aber richtig: Immer mehr Fitnessstudios haben das Bedürfnis nach Kraftsport bei Jugendlichen erkannt und bieten massgeschneiderte Angebote für «Juniorfitness» mit geschultem Personal und passenden Geräten an. Denn: Viele Maschinen für Erwachsene sind für die Kleinen einfach zu gross. Der Vorteil: Passt die Gerätschaft, sind die Übungen (anders als beim Training mit Hanteln) quasi vorgegeben und es schleichen sich weniger Fehler ein. Im Unterschied zu Erwachsenen sollte bei Jugendlichen auch der körperliche Entwicklungsstand bestimmt werden, um ein massgeschneidertes Trainingsprogramm aufstellen zu können. Wichtig ist ganz allgemein, dass die Übungen intensiv begleitet werden – dann kann bereits ab einem Alter von zehn Jahren bedenkenlos trainiert werden.
  • Trainieren mit Hanteln: Besonders hier ist eine intensive Betreuung durch einen Coach wichtig. Denn: Nur wer die richtige Technik beherrscht, sollte mit Hanteln trainieren. Gestartet wird mit leichten Gewichten. 
  • Mit dem richtigen Tempo zum Ziel: Eine saubere Ausführung, kontinuierliche (keine ruckhaften) Bewegungen, die richtige Atmung (keine Pressatmung!), stufenweise Erhöhung der Gewichte – nur wer sich Zeit nimmt für sein Training, kann gesund Kraft aufbauen. Wer mehrmals wöchentlich trainiert, braucht zudem Pausen und Erholung. Denn: Gerade in den Ruhephasen legt der Körper an Muskelmasse zu.
  • Die Kombination macht’s: Auch wer sich vor allem für den Muskelaufbau interessiert, sollte nicht nur auf Krafttraining setzen, sondern dieses mit Ausdauersportarten wie Schwimmen, Joggen oder Radfahren kombinieren. 
  • Ausgewogene Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung reicht völlig aus, um den Körper mit allem zu versorgen, was er braucht. Dazu sind keine künstlichen Zusatzstoffe oder spezielle Sportnahrung aus dem Internet nötig. 

Lesetipps

Fakten zum Thema und Übungen fürs Workout finden Sie hier

3 Fragen, 3 Antworten mit Prof. Dr. Urs Granacher

Don’ts

  • Das Ego-Training: Eine professionelle Begleitung ist das A und O. Sich einen Coach zu suchen, der das perfekte und massgeschneiderte Programm aufstellt, macht auch grossen Spass.
  • Nur die Harten kommen in den Garten? Unter Schmerzen zu trainieren, macht keinen Sinn. Tut eine Bewegung weh, schadet sie dem Körper und wird höchstwahrscheinlich falsch ausgeführt. Ein Alarmzeichen, auf das man hören sollte. 
  • Zu grosse Maschinen, zu schwere Gewichte: An zu grossen Geräten zu trainieren, bringt nichts und ist sogar schädlich, da Radius und Hebel dann in einem disproportionalen Verhältnis sind. Auch möglichst schnell riesige Hanteln heben ist nicht sinnvoll. Muskelzerrungen und Sehnenüberdehnungen drohen. Besser: Lieber mehr Wiederholungen mit der richtigen Technik und leichteren Gewichten einplanen. 
  • Kraftstoff aus dem Internet bestellen: Proteine aus dem Internet locken mit einer schnelleren Zunahme an Muskelmasse. Das Problem dabei: Oft ist nicht klar, was in den Mitteln enthalten ist. Häufig sind –  zumindest bei nicht in der Schweiz geprüften Pülverchen, Drinks und Pillen – Anabolika zu finden. Hinzu kommt: Gesunde Jugendliche brauchen keine Proteinmittel, um das Training zu unterstützen. Das Geld können sie sich also sparen.

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