Selektiver Fokus der MRT-Gehirnaxialansicht zur Erkennung einer Vielzahl von Schädigungen des Gehirns.
Dossier: Gesundes Gehirn

Schädel-Hirn-Trauma: ein Schlag mit weitreichenden Folgen

Tausende Menschen erleiden hierzulande jedes Jahr ein mittelschweres bis schweres Schädel-Hirn-Trauma. «Das kann das Leben der Betroffenen erheblich beeinflussen», erklärt Neurologin Nicole Naumann.

Text: Nicole Krättli; Foto: iStock

Ein harter Schlag auf den Kopf, ein Sturz oder ein Verkehrsunfall – ein Schädel-Hirn-Trauma kann man sich ganz unverhofft zuziehen, im schlimmsten Fall mit weitreichende Folgen.

Jedes Jahr werden in der Schweiz über 20 000 Menschen wegen eines Schädel-Hirn-Traumas behandelt. Rund 5000 von ihnen leiden unter schwerwiegenden Verläufen. «Die Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas sind oft unsichtbar und belasten die Betroffenen nicht nur physisch, sondern auch psychisch», erklärt Dr. Nicole Naumann, Fachärztin für Neurologie am Universitätsspital Basel und Vorstandsmitglied von FRAGILE Suisse.  

Was ist ein Schädel-Hirn-Trauma?

Unter einem Schädel-Hirn-Trauma (SHT) versteht man Verletzungen des Schädelknochens mit Beteiligung des Gehirns. Dazu zählen auch Hirnnerven, Hirnhäute und Blutgefässe.  

Ursachen: Wie kommt es zu einem Schädel-Hirn-Trauma?

Häufige Ursachen sind Unfälle im Strassenverkehr, Stürze im Haushalt oder beim Sport. Besonders gefährdet sind Radfahrerinnen und Radfahrer ohne Helm, aber auch ältere Menschen, bei denen Stürze im Alltag oft zu schweren Kopfverletzungen führen.

Sportverletzungen sind weitere häufige Ursachen von Schädel-Hirn-Traumata. Bei Kleinkindern kann ausserdem ein sogenanntes Schütteltrauma, das durch heftiges Schütteln des Kopfes entsteht, schwere Schäden verursachen.  

Symptome: So erkennt man ein Schädel-Hirn-Trauma

Je nach Schwere der Verletzung sind die Symptome unterschiedlich stark ausgeprägt. Expertinnen und Experten unterscheiden zwischen drei Schweregraden:

Leichtes Schädel-Hirn-Trauma: Mehr als nur Benommenheit

Das leichte Schädel-Hirn-Trauma, auch als Gehirnerschütterung bekannt, ist die häufigste Form. Betroffene leiden unter Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen. Es kommt zu kurzen Bewusstseinsstörungen oder einem kurzen Bewusstseinsverlust und/oder Erinnerungslücken. «Auch ein leichtes Trauma sollte ärztlich abgeklärt werden», warnt Dr. Naumann.

Mittelschweres Schädel-Hirn-Trauma: Warnsignale ernst nehmen

Bei einem mittelschweren Schädel-Hirn-Trauma sind die Symptome intensiver. Betroffene können mehrere Stunden bewusstlos sein und es treten häufiger neurologische Defizite auf. Dazu gehören Sprach- oder Gedächtnisstörungen, aber auch Lähmungen oder Sehstörungen. «Diese Art von Trauma erfordert eine intensive Überwachung im Krankenhaus, da das Risiko von Hirnblutungen und -schwellungen erhöht ist», erklärt Dr. Naumann.

Schweres Schädel-Hirn-Trauma: Leben in Gefahr

Schwere Schädel-Hirn-Traumata zeichnen sich durch eine lang anhaltende Bewusstlosigkeit aus, die von mehreren Stunden bis hin zu Tagen dauern kann.

Blutungen oder Schwellungen im Gehirn erhöhen den Hirndruck, was lebensbedrohliche Folgen haben kann. «Oft ist ein neurochirurgischer Eingriff notwendig, um den Hirndruck zu senken und weitere Schäden zu verhindern», so Dr. Naumann.

Bei schweren Verletzungen besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass bleibende Schäden resultieren, die das Leben der Betroffenen und Angehörigen dauerhaft beeinflussen.

Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas

Die Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas hängen stark vom Schweregrad der Verletzung ab. Während leichte Traumata meist ohne bleibende Schäden abheilen, können mittelschwere und schwere Verletzungen zu langfristigen Beeinträchtigungen führen.

Schädel-Hirn-Trauma: Was sind mögliche Spätfolgen?

Zu den Spätfolgen zählen motorische Störungen, etwa Lähmungen oder Schwierigkeiten bei der Koordination von Bewegungen. Auch Sprach- und Sehstörungen sowie Lähmungen von Hirnnerven können vorkommen. «Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen treten ebenfalls häufig auf», erklärt Neurologin Naumann.

In manchen Fällen kann es sogar zu einer posttraumatischen Epilepsie kommen, die noch Jahre nach dem Unfall auftreten kann.  

Mögliche psychische Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas

Neben den physischen Schäden kann ein Schädel-Hirn-Trauma auch schwerwiegende psychische Folgen haben. «Viele Patienten berichten von erhöhter Reizbarkeit, verminderter Impulskontrolle, emotionaler Labilität oder depressiven Verstimmungen», erläutert Dr. Naumann. Diese Art von Folgen sind von aussen oft schwer zu erkennen, belasten die Betroffenen und ihre Angehörigen aber stark.

Die kognitive Leistungsfähigkeit kann ebenfalls beeinträchtigt werden, was die Rückkehr in den Alltag und Beruf erschwert. In vielen Fällen ist eine neuropsychologische Therapie zur Kompensation kognitiver Einbussen sinnvoll.

Auch unterstützende Massnahmen wie etwa eine psychologische Therapie können helfen, die emotionalen und psychischen Folgen aufzuarbeiten und zu bewältigen. Posttraumatische Belastungsstörungen sind ebenfalls keine Seltenheit, besonders wenn das Trauma durch einen mit Gewalt verbundenen Vorfall ausgelöst wurde.

Diagnose und Therapie: So wird behandelt

Die Diagnose eines Schädel-Hirn-Traumas erfolgt in der Regel durch die Befragung von Patient:in und Angehörigen, eine klinische Untersuchung und bildgebende Verfahren. «Ein CT ist besonders hilfreich, um traumatische Blutungen im Gehirn oder Schädelbrüche schnell festzustellen», erklärt Dr. Naumann. «Ein MRT wird oft später eingesetzt, um kleinere, aber dennoch klinisch relevante Verletzungen zu erkennen, die im CT oft nicht sichtbar sind.»

Wichtig ist, dass Patient:innen nach einem Unfall, der zu einem Schädel-Hirn-Trauma geführt haben könnte, genau überwacht werden.

Die Behandlung richtet sich nach dem Ausmass der Verletzung. Leichte Traumata erfordern meist lediglich eine kurze Überwachung, während bei mittelschweren und schweren Verletzungen oft eine intensive medizinische Versorgung nötig ist. In schweren Fällen kann ein operativer Eingriff erforderlich sein, bei dem der Schädel geöffnet wird, um den Druck auf das Gehirn zu mindern oder Blutungen zu entfernen.

Prävention: So schützen Sie sich

Die gute Nachricht ist, dass viele Schädel-Hirn-Traumata durch vorkehrende Massnahmen vermieden werden können. Helme beim Radfahren, Skifahren oder Motorradfahren bieten einen effektiven Schutz vor Kopfverletzungen. Auch Sicherheitsvorkehrungen im Haushalt können besonders für ältere Menschen das Risiko eines Sturzes und damit eines Schädel-Hirn-Traumas deutlich verringern.

Über die Expertin

Dr. Nicole Naumann ist Kaderärztin und Fachärztin für Neurologie bei der asim Begutachtung am Universitätsspital Basel. Sie ist zertifizierte medizinische Gutachterin (SIM), Vertrauensärztin SGV und Schmerzspezialistin (SPS). Zudem engagiert sie sich als Vorstandsmitglied bei FRAGILE Suisse, der schweizerischen Patientenorganisation für Menschen mit Hirnverletzung und Angehörige.

Teilen