Bandscheibenvorfall: Ursache und Behandlung

Tausende Schweizer leiden unter Rückenschmerzen, die oft auf Bandscheibenvorfälle zurückzuführen sind. Erfahren Sie, wie Sie Bandscheibenvorfällen vorbeugen und wie sie diese behandeln lassen sollten.

Text: Anna Miller; Foto: iStock

Stellen Sie sich Ihre Bandscheiben als Stossdämpfer zwischen den Wirbeln Ihrer Wirbelsäule vor: Sie sind entscheidend für deren Beweglichkeit und Stabilität. Ein Bandscheibenvorfall, auch Diskushernie genannt, ist eine Erkrankung, bei welcher der weiche Kern einer Bandscheibe durch den äusseren Faserring dringt, weil die Bandscheibe Belastungen der Wirbelsäule nicht mehr gut abfedern kann. Als Folge kann das herausgerutschte Stück auf die umliegenden Nerven oder das Rückenmark drücken und starke Schmerzen verursachen.

Ein Bandscheibenvorfall kann jeden Bereich der Wirbelsäule betreffen, von der Hals- bis zur Lendenwirbelsäule. Die Ursachen dafür liegen in der Alterung und der Abnutzung der Wirbelsäule, die bereits ab dem 20. Lebensjahr einsetzen. Durch den zunehmenden Verschleiss des äusseren Faserrings der Bandscheibe können Gewebestückchen in den Wirbelkanal austreten und dort Nerven und Rückenmark zusammendrücken.

In welchem Alter treten Bandscheibenvorfälle auf?

Bandscheibenvorfälle gehören in der Schweiz zu den häufigsten Ursachen von Rückenschmerzen – rund 10 000 Menschen erleben in der Schweiz jährlich einen Bandscheibenvorfall. «1 bis 3 Prozent aller Menschen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren sind davon betroffen», sagt Andreas Raabe, Direktor und Chefarzt der Neurochirurgischen Universitätsklinik am Inselspital Bern. Die Krankheit sei jedoch keine, die im höheren Alter vermehrt auftrete.

Und: Sie ist auch genetisch vorgegeben. «Es gibt Menschen, die im Laufe ihres Lebens mehrere Bandscheibenvorfälle haben», sagt Raabe. Bei den meisten Betroffenen gehen Rückenschmerzen voraus, einige «trifft der Vorfall aber auch wie aus heiterem Himmel», sagt der Experte. Die Abnutzung werde zusätzlich von einer schwachen Rückenmuskulatur, genetischen Faktoren, Stress sowie einem erhöhten Körpergewicht befeuert.

Symptome: So erkennen Sie einen Bandscheibenvorfall

Die Symptome eines Bandscheibenvorfalls können vielfältig sein und variieren je nach Lage und Schweregrad des Vorfalls. Typische Anzeichen sind Rückenschmerzen, die ins Gesäss und ins Bein ausstrahlen können, sowie Schmerzen im Nacken mit Ausstrahlungen in den Arm. «Der Schmerz ist in der Regel gut spürbar», sagt Chefarzt Raabe. Die Intensität kann aber stark variieren: Von einem Ziehen bis hin zur Bewegungsunfähigkeit ist alles dabei.

Zusätzlich können Gefühlsstörungen wie Kribbeln und Taubheit oder gar Lähmungserscheinungen auftreten. «In extrem seltenen Fällen kann es auch zu Störungen der Blasen- und Darmfunktion kommen, was ein Hinweis auf dringenden Handlungsbedarf ist, um mögliche Nervenschädigungen zu verhindern», sagt Raabe.

Die allermeisten Bandscheibenvorfälle können durch einen Besuch bei der Hausärztin aufgefangen werden, nur in seltenen Fällen braucht es einen operativen Eingriff. Es ist zu empfehlen, bei Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Hexenschuss vs. Bandscheibenvorfall: die Unterschiede

Ein Hexenschuss und ein Bandscheibenvorfall sind beide schmerzvoll und betreffen den Rücken. Es handelt sich dabei aber um zwei verschiedene Erkrankungen. Ein plötzlich einschiessender Schmerz im Rücken lässt Betroffene an einen sie treffenden Schuss denken, der aus dem Nichts kommt. Daher auch der Name.

Typisch für das Leiden ist der Schmerz, der unvermittelt im unteren Rücken auftritt und meist nach einer abrupten oder ungewohnten Bewegung einsetzt. Sich wie gewohnt zu bewegen ist für Betroffene nach einem Hexenschuss unmöglich. Doch auch wenn es sich nicht so anfühlt: Ein Hexenschuss ist in der Regel harmlos und klingt ohne ärztliche Behandlung wieder ab. Bei einem Bandscheibenvorfall hingegen ist der Schmerz oft nach zwei bis drei Tagen immer noch stark ausgeprägt, strahlt ins Bein aus, und es kommt zu einem Taubheitsgefühl oder Kribbeln im Bein. Gehen Sie so oder so zur Ärztin, wenn Sie unsicher sind.

Bandscheibenvorwölbung: Vorstufe eines Bandscheibenvorfalls

Bei einer Bandscheibenvorwölbung tritt gallertartiges Gewebe aus der Bandscheibe aus, der Faserring wird aber nicht vollständig durchbrochen. Auch die Bandscheibenvorwölbung kann sehr unangenehm sein, da das ausgetretene Gewebe auf die umgebenden Nervenstrukturen drücken kann, was Schmerzen und andere neurologische Symptome verursacht.

Obwohl eine Vorwölbung nicht immer zu einem vollständigen Bandscheibenvorfall führt, kann sie dennoch schmerzhaft sein und die Lebensqualität beeinträchtigen. Die Behandlung zielt oft darauf ab, die Symptome zu lindern und die Vorwölbung zu stabilisieren, um mithilfe von Physiotherapie, Schmerzmanagement und gezielten Übungen oder einem chirurgischen Eingriff weitere Komplikationen zu verhindern.

Behandlung: Schritt für Schritt zu einem gesunden Rücken

Die Behandlung eines Bandscheibenvorfalls ist abhängig von der Schwere der Symptome und der individuellen Situation. Im Allgemeinen strebt man zunächst eine konservative Therapie an, bevor man sich für invasivere Massnahmen entscheidet.

Konservative Therapie als erster Schritt

Die konservative Behandlung umfasst oft eine Kombination aus Ruhe, Schmerzmitteln, entzündungshemmenden Medikamenten sowie Physiotherapie und gezielten Übungen zur Stärkung der Rückenmuskulatur. Diese Ansätze zielen darauf ab, Schmerzen zu lindern, Entzündungen zu reduzieren und die Funktionsfähigkeit der Wirbelsäule wiederherzustellen. «In den meisten Fällen genesen die Patienten innerhalb von ein paar Wochen oder Monaten wieder, ohne dass operativ eingegriffen werden muss», sagt Raabe. Wichtig seien die Schmerztherapie durch den Arzt und die Schonung des Körpers, bis die Heilung erfolgt ist. «Die Abnutzung der Bandscheiben ist jedoch ein lebenslanger Prozess, der nicht wieder rückgängig gemacht werden kann», so der Chefarzt.

Minimal-invasive Therapie als zweiter Schritt

Für Fälle, in denen konservative Massnahmen nicht ausreichen, kann eine Operation eine Lösung sein – vor allem dann, wenn der Bandscheibenvorfall auf Nervenstrukturen drückt und starke Schmerzen oder neurologische Ausfälle verursacht. Oft wird eine mikrochirurgische minimalinvasive Operation über einen speziellen gewebeschonenden Zugang und unter dem hochauflösenden Operationsmikroskop oder mit einem Endoskop durchgeführt. Die meisten Bandscheibenvorfälle können jedoch ohne Operation behandelt werden.

Sport während und nach einem Bandscheibenvorfall

Sport während eines Bandscheibenvorfalls erfordert besondere Vorsicht und sollte in Absprache mit einem Arzt ausgeübt werden. Grundsätzlich ist es wichtig, den Rücken zu schonen und Aktivitäten zu meiden, welche die Symptome verschlimmern könnten, vor allem solche, die zu starken Erschütterungen oder Belastungen der Wirbelsäule führen, wie beispielsweise Krafttraining mit schweren Gewichten, Springen oder abrupte Bewegungen. Moderate Bewegung und spezifisches Training können jedoch helfen, die Rückenmuskulatur zu stärken und die Flexibilität zu verbessern, was wiederum zur Linderung der Beschwerden beiträgt. Gut eignen sich beispielsweise Pilates oder Radfahren.

Nach einem Bandscheibenvorfall sollte der Weg zurück zur Bewegungsfreiheit geduldig angegangen werden, beispielsweise mit sanften Dehnübungen und leichten aeroben Übungen. Diese regen die Durchblutung an und verbessern die Flexibilität, ohne den Rücken zu überlasten. Besonders wichtig ist es, die Rückenmuskulatur zu stärken. «Wichtig ist, den Schmerz nicht noch zusätzlich zu triggern», sagt Raabe. Deshalb sei Schonung während der Genesung eine gute Idee. Was aber nicht heisst, dass Liegen oder das Verbleiben in der immer gleichen Position hilft. «Ideal ist, zwischen Liegen, Stehen, Sitzen und Gehen abzuwechseln», sagt der Experte. So hilft man dem Körper, zu regenerieren, ohne ihn übermässig zu belasten.

Bandscheibenvorfall vorbeugen: Ein starker Rücken ist das A und O

Sie können einiges tun, um einem Bandscheibenvorfall vorzubeugen. Das Wichtigste ist, den Rücken stark und gesund zu halten. Dabei hilft vor allem regelmässige Bewegung in Form von Schwimmen, Radfahren oder Wandern. Sport stärkt die Rückenmuskulatur und verbessert die Flexibilität der Wirbelsäule. «Sie müssen dabei nicht in Extremen denken», sagt Raabe. Es genüge, über die tägliche Bewegung hinaus ein paar Einheiten Yoga, Pilates oder Kieser-Training einzubauen. «Wichtig ist jedoch die Regelmässigkeit», sagt der Experte. Es nütze wenig, sechs Wochen am Stück einen Kurs zu belegen und dann das ganze Jahr über nichts mehr zu tun.

Auch eine gute Körperhaltung reduziert die Belastung der Wirbelsäule. Achten Sie darauf, beim Sitzen, Stehen und Bewegen eine ergonomische Haltung einzunehmen. Vermeiden Sie zu häufiges und langes Sitzen. Ein ergonomischer Stuhl, ein höhenverstellbarer Schreibtisch und regelmässige Pausen zur Entlastung der Wirbelsäule können dazu beitragen, Beschwerden zu reduzieren und das Risiko von Rückenverletzungen zu minimieren. «Denken Sie dabei auch an den Alltag: Sowohl beim Bierkistenschleppen als auch beim Staubsaugen ist es besser, den Rücken gerade zu halten», sagt Raabe. Ganz vermeiden lasse sich ein Bandscheibenvorfall jedoch nicht: «Bewegung gehört zum Alltag, Sie können nicht alles kontrollieren.» Und in den allermeisten Fällen heilt der Vorfall ohne Folgeschäden.

Über den Experten

Professor Andreas Raabe ist Direktor und Chefarzt der Neurochirurgischen Universitätsklinik am Inselspital Bern.

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