Dossier: Sexualität

PMS: die schwierigen Tage vor den Tagen

Traurig, müde, Kopfschmerzen? Das könnte am prämenstruellen Syndrom, kurz PMS, liegen. Für viele Frauen ist die Zeit vor den Tagen belastender als die Periode selbst. Doch nicht in jedem Monat sind die Symptome gleich stark.

Text: Michelle de Oliveira & Katharina Rilling; Foto: iStock

Alles anstrengend und nervig! So lassen sich die Tage vor der Periode oft zusammenfassen. Rund ein bis zwei Wochen pro Monat können das sein – viel Lebenszeit! Obwohl die Menstruation natürlich dazugehört, leiden viele Frauen monatlich darunter: Etwa drei von vier merken zumindest, dass sich ihr Wohlbefinden in der zweiten Zyklushälfte verändert. Unter dem sogenannten prämenstruellen Syndrom (PMS) leiden etwa ein Viertel bis die Hälfte aller Frauen. Mit Einsetzen der Blutung verschwinden die Symptome zwar meist wieder, manchmal treten stattdessen aber plötzlich Regelschmerzen oder Migräne auf.

PMS als Krankheit ernst nehmen

Ein Problem: Immer wieder werden Betroffene belächelt und nicht ernst genommen, wenn sie über ihre Zeit vor der Menstruation reden. Das kann zu grosser Verunsicherung führen, gerade bei jüngeren Personen. «Die Beschwerden müssen ernst genommen werden! PMS ist eine Krankheit und darf und soll auch so eingestuft werden», macht Dr. med. Alexandra Kohl Schwartz, Leiterin der Abteilung für Reproduktionsmedizin in der Frauenklinik des Luzerner Kantonsspitals, klar. Frauen trauen sich oft nicht, Hilfe zu holen, und leiden stumm vor sich hin. Das darf nicht sein.»

Was bedeutet PMS? 150 Symptome! 

Das Syndrom zu greifen, ist allerdings nicht einfach. Denn hinter den drei Buchstaben PMS verbergen sich unzählige Symptome. Seit der Amerikaner Robert Frank das prämenstruelle Syndrom im Jahr 1932 erstmals beschrieben hat, sind laut ZEIT online mehr als 150 Einzelsymptome erfasst worden. Gemeinsam ist ihnen, dass sie regelmässig in der Zeit vor der Periode auftreten.

«Am häufigsten berichten Frauen von Erschöpfung, emotionalen Schwankungen, Reizbarkeit und einer gedrückten Stimmung», weiss Alexandra Kohl Schwartz. «Aber auch Beschwerden wie Brustspannen, Kopfschmerzen, Übelkeit und Schlafstörungen sowie Gewichtszunahme und unreine Haut treten auf.» Genauso wie Unterleibskrämpfe, Verstopfung, Wassereinlagerungen, Angstzustände, Heisshunger und vieles mehr.

PMS kann zudem andere Erkrankungen verschlimmern, etwa Depression, Migräne oder Augenprobleme. Wer unter dem Syndrom leidet, reagiert häufig auch sensibler auf Reize von aussen wie Kritik, Berührung, laute Geräusche oder helles Licht und fühlt sich schneller gestresst oder überfordert. Das alles wirkt sich nicht nur auf das eigene Wohlbefinden aus, sondern kann auch Beziehungen, die Familie und das Arbeitsleben belasten.  

Die Ursachen: Wer leidet an PMS?

Warum PMS auftritt, konnte bisher nicht vollständig geklärt werden. Es wird aber vermutet, dass die Schwankungen der Geschlechtshormone über den Zyklus hinweg Einfluss auf wichtige Botenstoffe im Gehirn haben. Einige Frauen reagieren offenbar empfindlich auf diese Schwankungen.

So steigen der Progesteron- und der Östrogenspiegel in der zweiten Zyklushälfte bis zur Periode an, um dann bei Beginn der Menstruation wieder stark abzusinken. Der Botenstoff Serotonin sinkt ab – kurz vor der Menstruation sturzartig. Serotonin übt aber direkt Einfluss auf unsere Stimmung aus. Ist der Spiegel hoch, fühlen wir uns gut und haben weniger Hunger. Ist er niedrig, könnte dies für die negativen Gefühle während des PMS verantwortlich sein. Viele Frauen mit PMS produzieren weniger Serotonin als Frauen ohne PMS. 

Eine Theorie ist auch, dass das PMS eine Reaktion auf bestimmte Abbauprodukte des Progesterons ist. «Progesteron allein kann aber nicht die Ursache sein», so Kohl Schwartz. «Frauen, die aus anderen Gründen zusätzlich Progesteron einnehmen müssen, haben nicht automatisch stärkere prämenstruelle Symptome.» 

Wahrscheinlich liegt die Ursache für PMS in einem komplexen Zusammenspiel aus Hormonen und Botenstoffen, Veranlagung und Lebensumständen begründet. Wenn die Mütter unter PMS leiden, trifft es oft auch die Töchter. Bekannt ist zudem, dass Stress sowie Schlaf- und Bewegungsmangel das prämenstruelle Syndrom begünstigen können. Auch eine stark zuckerhaltige Ernährung mit viel Alkohol- und Koffeingenuss steht in Verdacht, PMS zu verstärken. Genauso wie der Mangel an Magnesium oder Kalzium.

«Solange ein Zyklus stattfindet, kann es auch PMS-Symptome geben»
Dr. med. Alexandra Kohl Schwartz, Leiterin der Abteilung für Reproduktionsmedizin in der Frauenklinik des Luzerner Kantonsspitals

PMS – in welchem Alter beginnen die Symptome?

Betroffen sind Frauen aller Altersstufen, jede menstruierende Person kann darunter leiden. «Solange ein Zyklus stattfindet, kann es auch PMS-Symptome geben», sagt die Fachärztin. Bei Frauen, die auf die Wechseljahre zugehen, können sich die Beschwerden sogar verschlimmern. Zugute kommt ihnen allerdings, dass sie oft aus jahrelanger Erfahrung mit dem Syndrom besser damit umgehen können und wissen, was ihnen in dieser Zeit guttut.

Behandlung: Was tun gegen PMS?

In jedem Fall sollte man mit dem Gynäkologen oder der Gynäkologin darüber sprechen. Gemeinsam kann dann entschieden werden, ob eine Anpassung des Lebensstils reicht oder eine gezielte Hormonanalyse und Therapie nötig ist. Allgemein gibt es allerdings kaum aussagekräftige Studien darüber, was wirklich hilft. 

Den Zyklus kennenlernen

Oft wird zunächst ein Zyklus-Tagebuch geführt, in das Betroffene mindestens zwei Monate lang ihre Beschwerden eintragen. Auch besondere Ereignisse oder Ernährungsgewohnheiten können so dokumentiert werden.

Der Vorteil: So wird sichtbar gemacht, ob Beschwerden einzig mit der Menstruation zusammenhängen oder auch andere Faktoren wie etwa eine besonders zuckerhaltige Ernährung oder eine Sportpause eine Rolle spielen.

Einerseits wächst auf diese Art das eigene Verständnis für den Zyklus, andererseits lassen sich Muster erkennen und von der Fachperson schneller einordnen. Per App lässt sich der Zyklus besonders unkompliziert tracken – einfach nach dem Schlagwort «PMS» suchen und ausprobieren.

Achtsame Ernährung

Nicht einfach, wenn einen Heisshungerattacken plagen, aber: Eine ausgewogene Ernährung mit kalzium- und magnesiumreichen Lebensmitteln kann die Symptome mildern. Salz fördert Wassereinlagerungen im Körper – daher sollte man auf stark gewürzte Gerichte lieber verzichten. Und dann gilt: in den Tagen vor den Tagen besser auf viel Alkohol, Koffein, Nikotin und Zucker verzichten. 

Ernährungszusätze

«Oft starten wir die Behandlung mit hoch dosiertem Magnesium, Kalzium und Vitamin B6», sagt die Ärztin. «Das erzielt bei vielen menstruierenden Personen bereits gute Effekte und lindert die Symptome.» Auch natürliche Präparate wie Mönchspfeffer verschaffen häufig Linderung, da sie regulierend auf den weiblichen Hormonhaushalt wirken können.

Gegen starke Wassereinlagerungen helfen harntreibende Mittel – allerdings sollten diese vorsichtig dosiert werden. Ist der Wasserverlust zu gross, begünstigt das Kreislaufbeschwerden wie Kopfschmerzen. Prinzipiell gilt: Nahrungszusatzstoffe immer mit der Ärztin oder dem Arzt besprechen, da sie überdosiert eher schädlich sind. 

In Bewegung bleiben

Sanfter Sport und wohldosierte Bewegung können PMS lindern, weil dabei Dopamin und Serotonin ausgeschüttet werden. Wer sich überwinden kann, profitiert also von den Stimmungsaufhellern.

Vor allem Ausdauersportarten wie Radfahren, Joggen oder Schwimmen zeigen eine positive Wirkung, weil sie auch die Durchblutung anregen und so Krämpfe in der Gebärmutter und Schmerzen im Rücken oder Unterbauch lindern können. Dank Sport wird eingelagertes Wasser zudem schneller wieder ausgeschwemmt. Frau fühlt sich insgesamt wohler in ihrer Haut.

Anti-Stress-Massnahmen und Schlaf

Auch Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation, progressive Muskelentspannung oder autogenes Training sowie ausgedehnte Massagen können helfen.

Alles in allem «ist wichtig, dass sich die Frauen nicht zu viel vornehmen oder das Gefühl haben, sie seien allein dafür verantwortlich, dass das prämenstruelle Syndrom verschwindet», erklärt Alexandra Kohl Schwartz. «Denn eine noch längere To-do-Liste führt zu zusätzlichem Stress und ist somit wieder kontraproduktiv.»

Bewusst einen Gang herunterschalten ist die Devise und: gerne mindestens sieben Stunden pro Nacht schlafen.

Pille & Co.

Hormonelle Verhütungsmittel wie die Antibabypille, vor allem wenn sie ohne monatliche Pause durchgenommen wird, oder eine Hormonspirale mildern die Symptome von PMS ab oder lassen sie ganz verschwinden.

Der Grund: Der körpereigene Zyklus wird unterdrückt. Allerdings sollte man sich gut beraten lassen. Manchmal treten mit hormonellen Verhütungsmitteln neue Nebenwirkungen auf.   

Schmerzmittel

Gegen Schmerzen im Kopf, Unterleib oder Rücken helfen kurzfristig Schmerzmittel. Hier wird Ibuprofen statt des blutverdünnenden Aspirins empfohlen.

Antidepressiva und Therapie

Wer stark unter psychischen Beschwerden leidet, kann dank Therapie einen besseren Umgang mit negativen Gedanken und Ängsten finden. Da die Ursache aber biologisch ist, wird oft auch eine medikamentöse Behandlung nötig.

Frauen mit schwereren Symptomen wie Depression können wochenweise eingenommene Antidepressiva helfen. Am erfolgversprechendsten sind Serotonin-Wiederaufnahmehemmer mit dem Wirkstoff Fluoxetin.

Mit dem Umfeld sprechen

Miteinander reden und die schwierigen Tage sichtbar im Kalender markieren: Manchmal kann das schon viel bewirken. Gerade Partner und Kinder haben es oft schwer. Wenn sie wissen, was mit der Betroffenen los ist, dass ihr Verhalten biologische Ursachen hat, beziehen sie es weniger auf sich. Was sie tun können? Verständnis zeigen und sich in Geduld üben, Arbeiten abnehmen, gesund kochen und zum Spazierengehen motivieren. 

Diagnose PMDS: die schwere Form von PMS

PMS ist bei manchen Frauen so stark ausgeprägt, dass gar nichts mehr geht. Sie erleben etwa depressionsähnliche Zustände und fallen in ein so tiefes Loch, dass sie glauben, nie mehr aus diesem herausfinden zu können – das kann bis hin zu Suizidgedanken reichen. Einige haben Wutausbrüche und werden handgreiflich.

Das Umfeld, oft die eigenen Kinder oder der Partner, leidet stark, der Beruf kann kaum noch ausgeübt werden. «In solchen Fällen spricht man von einer prämenstruellen dysphorischen Störung, kurz PMDS», sagt Kohl Schwartz. «Von dieser schweren Form von PMS sind etwa 3 bis 8 Prozent aller Frauen betroffen.»

Bei ihnen kommen meist stärkere Medikamente zum Einsatz, etwa die erwähnten Antidepressiva oder GnRH-Agonisten. Diese unterdrücken den Eisprung und sorgen so für künstliche Wechseljahre. Allerletztes Mittel kann auch eine Operation sein, bei der die Eierstöcke entfernt werden. Dies hat die gleiche Wirkung wie die Menopause.

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