Hörverlust: Wenn die Welt leiser wird

Das Ohr ist das Tor zur Klangwelt. Schwerhörigkeit hat deshalb nicht nur psychische, sondern auch gesellschaftliche Folgen. Entsprechend wichtig ist es, frühzeitig zu handeln.

Text: Nicole Krättli; Foto: iStock

Das Ohr – ein Meisterwerk der Natur, das uns erlaubt, die klangliche Vielfalt unserer Umwelt zu erleben. Doch was, wenn dieses fein abgestimmte Instrument zu versagen beginnt? Wenn das Vogelgezwitscher im Frühling oder die geliebten Stimmen des Partners oder der Kinder plötzlich gedämpft oder verzerrt klingen? Hörverlust entwickelt sich häufig schleichend und über Jahre hinweg. Viele Menschen bemerken deshalb zunächst gar nicht, dass allmählich die Klarheit und die Fülle der Klänge verschwinden, die sie einst genossen haben.

Eine Hörminderung ist nicht nur ein Verlust des Hörvermögens, sondern beeinflusst das gesamte Spektrum menschlicher Interaktion. 16 Prozent der Erwachsenen in Europa sind gemäss Weltgesundheitsorganisation von einer Hörminderung betroffen. Dabei hat jeder Hörverlust seine eigene Dynamik. Es gibt unterschiedliche Arten, Grade und Stadien von Schwerhörigkeit, die von einer leichten Beeinträchtigung bis zur völligen Taubheit reichen. Einige sind vorübergehend, andere dauerhaft. Doch in jedem Fall ist sie ein Verlust, der weitreichende Auswirkungen hat – nicht nur akustisch, sondern auch psychisch und gesellschaftlich.

Welche Arten von Hörverlust gibt es?

Schallleitungsschwerhörigkeit

Diese Art von Hörverlust tritt auf, wenn Schallwellen nicht effektiv ins Innenohr gelangen. Dies kann aufgrund einer Blockade oder einer Beeinträchtigung im Aussen- oder Mittelohr geschehen. Die Ursachen hierfür sind vielfältig: von Ohrenschmalz und Flüssigkeiten im Ohr bis hin zu Infektionen oder Tumoren.

Innenohrschwerhörigkeit

Innenohrschwerhörigkeit: Dieser Zustand ist gekennzeichnet durch eine Schädigung oder das Fehlen der Haarzellen in der Cochlea, dem Teil des Innenohrs, der für die Übertragung von Klängen an das Gehirn zuständig ist. Die Ursachen können von genetischen Faktoren bis hin zu Umwelteinflüssen reichen.

Kombinierter Hörverlust

Bei dieser Form des Hörverlusts sind sowohl das Innenohr als auch das Mittel- und/oder Aussenohr betroffen. Es handelt sich um eine Kombination der beiden oben genannten Typen.

Schädigung des Hörnervs

Eine Schädigung des Hörnervs kann einen besonders schweren Hörverlust verursachen, da die Übertragung von Klängen vom Ohr zum Gehirn beeinträchtigt ist.

Symptome: Welche Anzeichen weisen auf eine Schwerhörigkeit hin?

Schwerhörigkeit offenbart sich häufig nicht von einem Tag auf den anderen. Stattdessen zeigt sie sich durch ein allmähliches Abschwächen des Hörvermögens. Bestimmte Tonlautstärken oder Frequenzen werden nicht mehr so klar wahrgenommen, manche vielleicht gar nicht mehr. Dabei kann die Symptomatik je nach Art des Hörverlusts variieren. Die Folgen von Schwerhörigkeit reichen von Ohrgeräuschen wie dem Tinnitus bis hin zu Schwindelanfällen oder Gleichgewichtsstörungen.

Ein auffälliges Merkmal ist auch, dass die Betroffenen häufig schnell müde werden. Kein Wunder: Sich ständig darum bemühen zu müssen, Geräusche und Gespräche richtig zu deuten, kann enorm anstrengend sein. Die Bandbreite der Symptome reicht dabei von minimalen Einschränkungen bis zu solchen, die so gravierend sind, dass sie als Schwerbehinderung eingestuft werden können.

Einige der häufigsten Anzeichen für einen beginnenden Hörverlust sind:

Verständnisschwierigkeiten bei hohen Stimmlagen

Vor allem Frauen- und Kinderstimmen werden oft nur noch undeutlich wahrgenommen.

Häufiges Nachfragen

Mehrfaches Bitten um Wiederholung des Gesagten während Gesprächen kann ein Hinweis darauf sein, dass nicht alles klar verstanden wird.

Schwierigkeiten bei Gesprächen

Insbesondere hochfrequente Konsonanten wie C, S, F und Z werden oft weniger deutlich gehört als tieffrequente Vokale. Das kann dazu führen, dass Äusserungen generell als undeutlich empfunden werden.

Lärmempfindlichkeit

Wenn normale Hintergrundgeräusche wie Strassen- oder Baulärm plötzlich übermässig laut erscheinen, könnte dies ebenfalls auf eine Hörminderung hindeuten.

Erhöhte Lautstärke bei TV oder Radio

Ein weiteres Indiz kann das Bedürfnis sein, die Lautstärke beim Fernsehen oder Radio höher als gewöhnlich einzustellen, um alles klar zu hören.

Wenn Sie eines oder mehrere dieser Symptome bei sich feststellen, lohnt es sich, einen Hörtest bei einer Fachperson in Erwägung zu ziehen.

Ursachen: Was kann Hörschäden verursachen?

Schwerhörigkeit – auch Hypakusis genannt – ist nicht immer dem Alter geschuldet. Tatsächlich gibt es Fälle, in denen Menschen mit einer Hörbehinderung geboren werden. Denn wenn beide Elternteile schwerhörig sind, kann die Schwerhörigkeit vererbt werden.

Doch für viele Menschen beginnt die Hörkapazität tatsächlich mit dem Älterwerden abzunehmen. Schon ab dem 30. Lebensjahr können die ersten Anzeichen auftreten. Im Alter von 80 Jahren hat dann ein Grossteil der Menschen erhebliche Hörprobleme. Die Ursache liegt oft in der permanenten Überbeanspruchung der Hörzellen im Innenohr. Feine Haarzellen sterben nach und nach ab und die verbliebenen können hohe Töne nicht mehr korrekt verarbeiten. Das kann dazu führen, dass Gespräche schwer zu verstehen sind, insbesondere in einer lauten Umgebung.

Auch ständige Lärmbelastung, sei es durch laute Musik, Maschinenlärm oder gar eine plötzliche Explosion, kann zu dauerhaften Schäden führen. Es ist ein schleichender Prozess; die Haarzellen im Innenohr, die durch den Lärm überlastet werden, erholen sich immer schlechter und können schliesslich ganz absterben.

Zudem gibt es Krankheiten, die das Ohr direkt beeinflussen. Infektionen wie Mittelohrentzündung oder auch Mumps und Masern können ernsthafte Schäden verursachen, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt werden. Bakterien, die ins Innenohr eindringen, können zudem Entzündungen auslösen, die von leichter Schwerhörigkeit bis hin zur völligen Taubheit führen.

Behandlung: Was kann man gegen Schwerhörigkeit tun?

Die Behandlung der Schwerhörigkeit ist abhängig von der Ursache und dem Schweregrad. Einige Probleme, zum Beispiel Ohrenschmalzansammlungen, können relativ einfach durch eine Fachperson behoben werden. Bei Schallleitungsstörungen kann eine Operation wie die Tympanoplastik hilfreich sein, um Schäden im Mittelohr zu korrigieren. Wenn das Innenohr betroffen ist, gibt es verschiedene Ansätze:

Hörgeräte

Moderne Geräte sind diskret und können individuell angepasst werden. Sie verbessern die Hörqualität und ermöglichen soziale Interaktionen. Einrichtung und Anpassung erfolgen durch Fachleute, und es gibt spezielle Trainingskurse.

Cochlea-Implantate

Diese sind für Menschen geeignet, bei denen herkömmliche Hörgeräte nicht funktionieren. Sie überbrücken das beschädigte Innenohr und stimulieren direkt den Hörnerv.

Kommunikationstechniken

Lippenlesen oder Gebärdensprache können Betroffenen dabei helfen, besser zu kommunizieren.

Hörtraining

Betroffene trainieren gezielt ihr Gehör, um bestimmte Geräusche oder Sprache besser wahrzunehmen.

Logopädische Betreuung

Hilft bei der Sprachentwicklung und -verbesserung.

Frühförderung

Bei Kindern mit Hörproblemen kann sie entscheidend sein, um die Sprach- und Hörerziehung optimal zu fördern.

Psychotherapie

Bei begleitenden emotionalen Problemen wie Depressionen kann eine psychotherapeutische Behandlung hilfreich sein.

Angehörige können durch klare Kommunikation und Verständnis den Betroffenen den Umgang mit ihrer Hörschwäche erleichtern. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung ist entscheidend, um die Lebensqualität zu erhalten und zu verbessern.

Obwohl es keine spezifischen Präventionsmassnahmen gibt, hilft es definitiv, zu viel Lärm zu meiden. Ohrstöpsel bei lauten Veranstaltungen und der Verzicht auf laute Musik über Kopfhörer sind erste wichtige Schritte in eine akustisch stabile Zukunft. Gelegentliche Ruhephasen, eine gesunde Ernährung und Nikotinverzicht sind ebenfalls förderlich.

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