Dossier: Familie

Wenn Kinderhaut beisst und juckt

Neurodermitis plagt jedes fünfte Kind in der Schweiz. Für Eltern bedeutet das: eincremen, eincremen, eincremen. Denn genügend Rückfettung und Feuchtigkeit sind das A und O für die geplagte Kinderhaut.

Text: Nicole Krättli; Foto: iStock

Es ist ein unangenehmes Gefühl, das die meisten von uns kennen: ein Jucken auf der Haut, das einem den letzten Nerv raubt. Doch was, wenn dieser Zustand zum ständigen Begleiter wird? Neurodermitis zählt zu den häufigsten Hauterkrankungen im Säuglings- und Kindesalter – bis zu 20 Prozent aller Kinder leiden unter dieser nicht ansteckenden Hautveränderung.

Viele Eltern sind ratlos und suchen verzweifelt nach Gründen. Ist das Waschmittel schuld? Das neue Shampoo? Oder vielleicht die exotische Frucht, die der Vater am Morgen noch schnell ins Birchermüesli geschnetzelt hat? Tatsächlich ist die Neurodermitis in den meisten Fällen genetisch bedingt. Wenn ein Elternteil an Neurodermitis oder Asthma leidet, hat das Kind eine 50-prozentige Chance, ebenfalls davon betroffen zu sein. Bei zwei betroffenen Elternteilen steigt die Wahrscheinlichkeit sogar auf 75 Prozent.

Ursache: geschwächte Hautbarriere

Die Wurzel allen Übels ist bei der Neurodermitis ein Eiweiss namens Filaggrin. Das Protein hilft die Hautfeuchtigkeit zu regulieren und die Barrierefunktion der Haut aufrechtzuerhalten, erklärt Dermatologin Dr. med. Marianne Meli. Bei Kindern mit Neurodermitis ist dieses Protein nicht ausreichend vorhanden. Die Folgen der geschwächten Hautbarriere kennen Kinder mit Neurodermitis und deren Eltern leider nur zu gut: Die Haut wird verletzlicher und trocknet schneller aus. Dadurch kommt es zu einer Entzündung der Haut und Krankheitserreger wie zum Beispiel Bakterien oder Viren können leichter in die Haut eindringen. Weitere Faktoren wie das Wetter, Stress in der Schule oder bestimmte Produkte, die allergische Reaktionen auslösen können, verschlimmern die Situation zusätzlich, sagt Dermatologin Meli.

Die Neurodermitis kündigt sich oft mit subtilen Zeichen an. Manchmal sind es weissliche Flecken auf den Wangen oder eine doppelte Falte unterhalb des Augenunterlids. Doch die Hauptmerkmale sind trockene Hautbereiche, die sich röten, jucken und oft schuppen oder nässen. Besonders betroffen sind Ellenbogengelenke, Kniekehlen, Nacken und Hals. Bei Säuglingen tritt eine frühe Form der Neurodermitis in Gestalt des Milchschorfs auf. Andere typische Bereiche für die Neurodermitis sind zudem Wangen, die Kopfhaut sowie die Aussenseite von Armen und Beinen.

Behandlung: Rückfettung und Feuchtigkeitsgabe als Schlüssel zur Linderung

Trockene Haut gleicht einer eingestürzten Schutzmauer. Entscheidend ist es also, diese Barriere wieder aufzubauen. Aber wie? Regelmässiges Eincremen und Einfetten vor allem nach dem Duschen ist extrem wichtig, betont Marianne Meli. Sie rät dazu, pH-neutrale und parfumfreie Cremes speziell für Kinder zu nutzen. Und ein gelegentliches Ölbad? Das ist wie ein Kurzurlaub für gestresste Haut. «Kinder mit Neurodermitis dürfen durchaus täglich ein kurzes Bad nehmen, wichtig ist, dass das Wasser nicht zu heiss ist und man das Kind selbst nach einem Ölbad nochmals zusätzlich eincremt», fährt Meli weiter.

Bei akuter Neurodermitis verschreiben viele Ärztinnen und Ärzte Kortison. Eine so starke Substanz bei Kindern anzuwenden, beunruhigt manche Eltern. Doch Dermatologin Meli gibt Entwarnung. Wenn die Kortisoncreme richtig angewendet wird, bestehen nur Vorteile und keine Risiken. «Kortison hilft, die Neurodermitis-geplagte Haut zu stabilisieren und die Entzündungen einzudämmen», fasst sie zusammen.

Da die Neurodermitis eng mit Allergien verbunden ist, lohnt es sich, Allergien medizinisch abzuklären. Allerdings nur dann, wenn auch Symptome auftauchen. «Ein Allergietest ohne vorhergehende Symptome ist wenig sinnvoll», weiss die Dermatologin. Auch davon, prophylaktisch auf potenziell allergene Lebensmittel zu verzichten, rät die Expertin ab. Das ist nicht nur wenig hilfreich, sondern kann im Extremfall sogar die Entwicklung einer Allergie fördern.

Eine gute Kleiderwahl kann das Leben eines Neurodermitis-geplagten Kindes ebenfalls positiv beeinflussen. Baumwolle oder Seide fühlen sich auf der ohnehin schon gereizten Haut sehr viel besser an als kratzige Wolle. Selbst die Naht der Unterwäsche kann je nach Lage des Ausschlags sehr unangenehm sein. Hier kann es schon reichen, die Unterwäsche umzukehren, damit die Nähte aussen liegen.

Das Problem löst sich oft von selbst

Die Pflege eines Kindes mit Neurodermitis kann herausfordernd sein, die richtigen Strategien können Eltern und Kindern den Alltag aber vielfach erleichtern. Hinzu kommt, dass die Symptome bei vielen Kindern mit dem Älterwerden schwächer werden. Das ist besonders bei denjenigen der Fall, die in ihren ersten zwölf Lebensmonaten Anzeichen zeigen. Bis sie das junge Erwachsenenalter erreichen, zeigen etwa 60 Prozent der von Neurodermitis betroffenen Kinder keine Symptome mehr.

Das Allergiezentrum Schweiz bietet Neurodermitisschulungen für Eltern und Kinder an. Die Schulungen werden von Experten aus den Bereichen Medizin, Pflege, Pädagogik und Psychologie durchgeführt, um den Alltag von Kindern mit Neurodermitis und ihren Eltern zu erleichtern.

Teebaumöl: Hausmittel gegen Neurodermitis

Teebaumöl, ein traditionelles Heilmittel der Aborigines aus Australien, ist bekannt für seine antiseptische Wirkung. Es lohnt sich, dieses Hausmittel auszuprobieren, da es vielfach die Rötungen und den Juckreiz reduziert, die durch Neurodermitis verursacht werden.

Wichtig ist, beim Kauf auf die Qualität des Teebaumöls zu achten. Das Teebaumöl sollte zu 100 Prozent naturrein sein und aus ökologischem Anbau stammen. Achten Sie zudem darauf, dass auf dem Etikett die Pflanzengattung «Melaleuca alternifolia» erwähnt wird. Für die beste Wirkung ist ein hoher Anteil des Wirkstoffs Terpinen-4-ol (mindestens 30%) und ein niedriger Cineol-Anteil (unter 5%) entscheidend. 

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