Depressionen bei Kindern und Jugendlichen
Psychische Probleme haben bei Kindern und Jugendlichen seit der Pandemie stark zugenommen. Wie Sie Symptome frühzeitig erkennen und gemeinsam als Familie seelische Schmerzen überwinden.
Noch nie zuvor suchten so viele Kinder und Jugendliche Hilfe beim Beratungstelefon 147 der Pro Juventute wie heute: Seit 2019 haben die Anrufe wegen Suizidgedanken um 82 Prozent zugenommen, Anrufe wegen Depressionen haben seither um 61 Prozent zugelegt. Täglich macht das im Durchschnitt etwa 9 Betroffene, die wegen Suizidgedanken telefonische Hilfe suchen.
Zudem ist jeder zehnte Jugendliche in professioneller psychologischer Behandlung. Das zeigen die Daten der ersten Jugendstudie, die die Pro Juventute 2024 zum ersten Mal durchgeführt hat.
Diese Situation halten Fachpersonen für besorgniserregend. Besonders vor dem Hintergrund, dass Betroffene seit der Pandemie oft monatelang oder noch länger auf einen Termin bei der Psychiaterin oder dem Psychotherapeuten warten müssen, wenn sie sich professionelle Hilfe holen möchten.
Umso wichtiger ist es, dass Betroffene und Eltern lernen, wie sie frühzeitig psychische Leiden erkennen und so selber ihre mentale Gesundheit stärken können.
«Meistens sind es verschiedene Faktoren [...], die Kinder und Jugendliche psychisch belasten.»
Symptome: Wie äussert sich eine Depression bei Kindern und Jugendlichen?
Die Anzeichen einer Depression können je nach Altersgruppe der Betroffenen unterschiedlich ausfallen. Dennoch sind die Symptome aber auch ungeachtet des Alters teilweise sehr unterschiedlich.
Kinder im Vorschul- und Schulalter
Jugendliche in der Pubertät
Ursachen: Wie entstehen Depressionen bei Kindern?
Meistens seien es verschiedene Faktoren wie Probleme im engen Umfeld, generelle Ängste und die Ungewissheit vor der eigenen Zukunft, die Kinder und Jugendliche psychisch belasten und zu Depressionen führen können, sagt Caroline Pulver, Sozialwissenschaftlerin und Leiterin der Pro-Juventute-Beratung in der Deutschschweiz.
In den Beratungsgesprächen beim 147 erhalten Pulver und ihre Kolleg:innen einen Eindruck davon, was genau diese Ängste bei den Betroffenen auslöst: Es seien sowohl die gesellschaftlichen globalen Krisen als auch persönliche Alltagssorgen, die bei den Kindern und Teenagern zu Unbehagen führen, sagt Pulver.
Geopolitische Ereignisse
Gesellschaftlicher Leistungsdruck
Ist es normal, in der Pubertät depressiv zu sein?
In der Pubertät kommen neben den Ängsten und dem Leistungsdruck weitere Faktoren dazu, die den Betroffenen auf die Psyche schlagen: Zum einen befinden sich die Hormone aufgrund der körperlichen Veränderungen auf einer Achterbahn. Auch das Gehirn verändert sich während der Pubertät stark. «Es befindet sich in einem neuronalen Umbau. Das führt zu häufigen Stimmungsschwankungen», sagt Pulver.
Stimmungsschwankungen vs. Depression
Mädchen häufiger betroffen als Jungs
Lesetipp
«Wie wird mein Kind wieder glücklich?» (Verlag Hogrefe) von Gunter Groen ist ein praxisnaher Ratgeber für Eltern betroffener Kinder und Jugendlicher.
ISBN: 9783456859590
2. überarbeitete Auflage 2019, 160 Seiten
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Behandlung: Wie wird einem depressiven Kind geholfen?
Grundsätzlich kann einem Kind mit einer Depression am besten geholfen werden, wenn seine psychischen Probleme möglichst früh erkannt werden. Dazu ist es in erster Linie notwendig, dass Kinder und Jugendliche frühzeitig in ihrem Umfeld darüber aufgeklärt werden, dass die Psyche Teil ihrer Gesundheit ist.
Und dass es – wie beim Beinbruch oder einer starken Grippe – auch für psychische Schmerzen wie depressive Gefühle oder Suizidgedanken Fachpersonen gibt, die helfen können. «Junge Betroffene müssen wissen, dass sie nicht alleine sind mit ihren Problemen und dass nichts falsch daran ist, psychische Schmerzen zu empfinden», sagt Pulver.
Als erste Kontaktstelle auf der Suche nach professioneller Hilfe dienen niederschwellige Beratungsangebote wie das 147 und die Elternberatung von Pro Juventute sowie die kinder- und jugendpsychiatrischen Dienste der Kantone. Sie beraten betroffene Kinder, Jugendliche und ihre Eltern, egal wie akut die aktuelle Situation ist.
Was können Eltern mit depressiven Kindern tun?
Was können Kinder und Jugendliche selbst tun?
Was tun bei Suizidgedanken des Kindes?
Eltern sollten die Suizidgedanken auf jeden Fall immer ernst nehmen. «Unsere Beratungserfahrung zeigt, dass ein Gespräch bei solchen Gedanken bereits viel bewirken kann», sagt Caroline Pulver.
Die Expertin rät Eltern, unbedingt ruhig zu bleiben und keinesfalls in Panik auszubrechen. «Schaffen Sie eine ruhige Atmosphäre des Vertrauens, in der auch über solche schwierigen Themen gesprochen werden kann», sagt Pulver.
Suizidgedanken eines Kindes sind für die meisten Eltern sehr erschütternd. Es ist deshalb wichtig, sich als Eltern selber auch Hilfe zu holen – zum Beispiel bei der Elternberatung des Wohnkantons oder telefonisch und online bei Pro Juventute.
Anlaufstellen
In der Kinder- oder Hausarztpraxis finden Eltern eine erste Beratung sowie weiterführende Adressen und Ansprechpersonen. Bei einer ernst zu nehmenden depressiven Entwicklung sollten Eltern auch den Austausch mit der Schule nicht scheuen.
Die Schweizer Stiftung für Kinder- und Jugendförderung Pro Juventute bietet unter der Nummer 147 oder auf 147.ch Hilfestellung für Kinder und Jugendliche und berät Eltern rund um die Uhr per Telefon, Chat oder E-Mail.
Auch der Elternnotruf ist auf elternnotruf.ch oder telefonisch unter 0848 35 45 55 rund um die Uhr zu erreichen.
«Versuchen Sie [...], die Probleme Ihres Kindes nicht zu bagatellisieren oder zu pauschalisieren.»
Wie kann man Depressionen bei Kindern vorbeugen?
Für Kinder und Jugendliche sind Erfahrungen ganz zentral, bei denen sie lernen, dass sie Dinge selber machen und lösen können. Damit lernen sie, was Selbstwirksamkeit ist. Das ist ein zentraler Faktor, um die eigene Resilienz zu verbessern.
«Je mehr selbstwirksame Erfahrungen Kinder haben, desto resilienter sind sie in schwierigen Situationen», sagt Pulver. Wichtig ist, dass sie Vertrauen in die Verbesserung ihrer Situation haben und fühlen, dass sie ihren Problemen nicht ausgeliefert sind.
Selbstwirksamkeit lernen – so geht’s
Als gutes Beispiel vorangehen
Über die Expertin
Caroline Pulver ist promovierte Sozialwissenschaftlerin und Standortleiterin der Beratung Deutsche Schweiz der Stiftung Pro Juventute. Sie war vor ihrer Tätigkeit bei Pro Juventute viele Jahre als Professorin für soziale Arbeit verantwortlich für die Praxisausbildung von Studierenden an der Berner Fachhochschule.
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