Wie gut sind Generika wirklich?

In der Schweiz ist nur jedes fünfte verschriebene Medikament ein Generikum. Patienten sind nach wie vor skeptisch. Zu Recht? Sechs Fragen, sechs Antworten.

Text: Helwi Braunmiller; Foto: Unsplash

Im Nachbarland Deutschland greifen über 80 Prozent aller Patienten auf ein Generikum zurück. Auch in Frankreich ist immerhin jedes dritte verschriebene Medikament ein Nachahmerpräparat – in Österreich sogar jedes zweite. Die Schweiz dagegen übt sich in Zurückhaltung: Nur 22 Prozent aller hier verkauften Medikamente sind Generika – obwohl sich mit ihnen zwischen 300 und 500 Millionen Franken einsparen liessen.  

Was sind Generika? Eine Definition

Ein Generikum ist eine Kopie eines Arzneimittels, das bereits auf dem Markt ist, dessen Patentschutz aber nach 20 Jahren abgelaufen ist. Während dieser 20 Jahre haben die jeweiligen Pharmafirmen das alleinige Verkaufsrecht für ihr Originalmedikament. Sie legen den Preis so fest, dass sich Entwicklung und Forschung amortisieren und sie Gewinne erwirtschaften. Nach dieser Zeit dürfen andere Pharmahersteller das Medikament kopieren und Nachahmerpräparate herstellen. Dafür können sie auf die Forschungsergebnisse zum Original zurückgreifen, die zu diesem Zeitpunkt freigegeben werden müssen. Generika entsprechen in Menge, Dosierung, Zusammensetzung und Formulierung dem Original. Sie verwenden den gleichen Wirkstoff und die gleiche Darreichungsform. Vor ihrer Markteinführung durchlaufen sie in der Schweiz ein ordentliches Prüfverfahren.  

Wirken Generika genau gleich wie Originalmedikamente?

Von einer gleichen Wirkung spricht man dann, wenn Patienten die Wirkstoffe eines Medikaments in etwa gleich schnell und gleich gut aufnehmen und wieder abbauen können. Allerdings gibt es hier einen kleinen Spielraum: Die Aufnahme des Wirkstoffs aus dem Generikum muss gesetzlich zwischen 80 und 125 Prozent des Originals liegen. In der Regel pendeln sich die Abweichungen vom Original bei etwa 5 Prozent ein.

Diese fünf Prozent sind meist nicht weiter tragisch, weil generell nicht jedes Medikament bei jedem Patienten exakt gleich wirkt – bedingt beispielsweise durch Alter oder Geschlecht. Bei manchen Medikamenten ist die Wirkgeschwindigkeit aber sehr wichtig. In diesen Fällen sind die behördlich gesetzten Grenzen deshalb wesentlich enger.  

Wie unterscheiden sich Generika und Originalpräparate?

Auch wenn Einsatzbereich und Wirkung dem Original entsprechen: Ganz identisch sind Generikum und Original oft nicht. Unterschiede kann es beispielsweise bei Farbe, Aroma, Bindemittel oder Konservierungsstoffen geben. Das muss aber kein Nachteil sein: Die neu zugesetzten Hilfsstoffe und ein angepasster Herstellungsprozess können das Medikament in seiner Nachahmerversion auch verbessern – einfacher dosierbar oder verträglicher machen beispielsweise. Intoleranz oder Allergien auf diese neu zugefügten Stoffe sind sehr selten.  

Warum sind Generika günstiger als das Original?

Der günstigere Preis hat nichts mit minderwertigeren Medikamenten zu tun: Generikahersteller können sich einen guten Teil der Forschungsarbeit sparen – und damit viel Geld. Um profitabel zu sein, müssen sie also viel geringere Kosten auf das Medikament umlegen als der Originalhersteller. Auch die Zulassung ist günstiger, da die Tests unkomplizierter sind. Ausserdem wächst nach Auslaufen eines Patents die Konkurrenz: Es bieten meist mehrere Firmen Nachahmerpräparate mit dem gleichen Wirkstoff an – das schlägt sich auf die Preise nieder.

Warum sind Generika in der Schweiz noch nicht so weit verbreitet?

Auf dem Schweizer Markt gibt es viel weniger Generika als in den Nachbarländern. Das liegt zum einen daran, dass der Schweizer Markt klein und deshalb für Generikahersteller nicht attraktiv genug ist. Hinzu kommt: Ein in der EU zugelassenes Medikament ist nicht automatisch auch in der Schweiz zugelassen. Es muss also nochmals ein Zulassungsverfahren nach Schweizer Vorgaben durchlaufen.

Die Anforderungen an Generika sind hoch: Per Auflage müssen sich Original und Generikum in der Packungsgrösse entsprechen – und damit in Grössen angeboten werden, die manchmal nicht rentabel sind. Hinzu kommt die Mehrsprachigkeit der Schweiz: Sie macht spezielle Verpackungen mit deutscher, französischer und italienischer Beschriftung erforderlich. Die Folge: Laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) sind Generika in der Schweiz zwar immer noch deutlich günstiger als das Original, aber mehr als doppelt so teuer wie in neun europäischen Referenzländern.

Was sollte man bei einem Wechsel vom Originalmedikament auf ein Generikum beachten?

Die Umstellung vom Original auf ein Generikum ist meist unkompliziert, insbesondere wenn es sich um frei verkäufliche Medikamente handelt, Schmerzmittel beispielsweise.

Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten sollte man sich beim Umstieg von der betreuenden Ärztin beraten und begleiten lassen. Das ist besonders wichtig bei Medikamenten, die genau zu einem bestimmten Zeitpunkt wirken müssen oder bei denen der Wirkstofflevel wichtig ist – bei Psychopharmaka beispielsweise oder bei Medikamenten gegen Epilepsie.

Bei Patienten, die dauerhaft Medikamente einnehmen müssen, sollte der Arzt genau prüfen, ob er eine bereits gut eingestellte Medikation zugunsten eines Generikums anpassen möchte. Sollten Sie einen Wechsel in Betracht ziehen: Starten Sie als Test mit einer möglichst kleinen Packung und stellen Sie, sollten Sie mehrere Medikamente gleichzeitig einnehmen, nicht alle auf einmal um. Haben Sie sich für einen Wechsel entschieden, sollten Sie dabei bleiben und nicht zwischen verschiedenen Produkten wechseln.

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