50 Jahre Kunstherzforschung
Das Herz ist eine ausgeklügelte natürliche Maschine, deren Pumpen alle übrigen Körperteile in Bewegung halten. Weil das Herz trotz seiner Genialität erkranken kann, forschen Wissenschaftler und Mediziner seit über 50 Jahren an sogenannten Kunstherzen.
Am 4. April 1969 wurde einem Menschen erstmals ein Kunstherz eingesetzt. Der 47-jährige Patient bekam am Texas Heart Institute in Houston ein Implantat aus Polyester und Silikon, das mittels Schläuchen, die aus dem Körper führten, an einen externen Kompressor gekoppelt war. 65 Stunden später wurde das Kunstherz namens «Liotta-Cooley» durch ein gesundes natürliches Herz ersetzt. Der Patient verstarb kurze Zeit später.
Als erstes dauerhaftes Herzimplantat gilt das «Jarvik-7», benannt nach seinem Entwickler Robert Jarvik. Es handelte sich um ein Polyurethan-Herz, das ebenfalls via Schläuche mit einem externen Kompressor verbunden war. Ende 1982 wurde «Jarvik-7» ebenfalls in den USA erstmals einem pensionierten Zahnarzt eingesetzt. Er überlebte damit allerdings auch nur 112 Tage. Zwei Jahre später lebte ein Patient 620 Tage mit dem Kunstherz, ehe er einem Schlaganfall erlag.
Im Jahr 2001 wurde mit «Abiocor I» das erste «kabellose» Kunstherz entwickelt. Es enthielt Akkus, die implantiert und durch die Haut hindurch aufgeladen wurden. Weil «Abiocor I» jedoch die Grösse einer Grapefruit hatte, passte das Kunstherz vielen Patienten nicht in den Brustkorb und setzte sich deshalb nicht durch.
Der mit «Jarvik 7» zumindest ansatzweise realisierte Menschheitstraum, ein müdes Herz dauerhaft durch eine zuverlässige mechanische Pumpe ersetzen zu können, hat seit 2013 und der Lancierung des vom französischen Herzchirurgen Alain Carpentier entwickelten Kunstherzens «Carmat» nochmals deutlich Schubkraft erhalten. Die 900 Gramm schwere und 750 Kubikzentimeter grosse Hightech-Pumpe arbeitet mit Membranen. Diese bewegen sich, durch einen Elektromotor angetrieben, hin und her und treiben so das Blut durch seine Bahnen. Die Pumpmembranen sind mit Biomaterial aus Rindergewebe überzogen, die das Risiko von Blutgerinnseln gering halten sollen.
Führende Herzchirurgen halten dieses Risiko aber nach wie vor für recht hoch. Deshalb tüfteln Forscher weiter an neuen Kunstherzen, die unserem echten Herzen in Beschaffenheit und Funktion noch näher kommen. An der ETH Zürich läuft seit fünf Jahren ein ambitioniertes Projekt für ein neues Kunstherz aus weichem Silikon, für dessen Entwicklung die modernsten digitalen Technologien sowie 3-D-Druck eingesetzt werden. In einigen Jahren könnte die Geschichte der künstlichen Herzen um ein revolutionäres Kapitel reicher werden.
Wendelin Stark, 42, ist seit 2004 Professor an der ETH Zürich. Seine Forschungsgruppe arbeitet unter anderem an Biosensoren zur Detektion von Bakterien, Giftstoffen und energiesparenden industriellen Prozessen. Stark hatte die Idee zum Projekt «Kunstherz aus dem 3-D-Drucker» lanciert und ist seit 2013 zusammen mit der ETH-Forschungsgruppe um Mirko Meboldt an dessen Umsetzung.