Faszientraining: Geschmeidig schmerzfrei
Das Bindegewebe ist ein wichtiges Sinnesorgan, das unter anderem Grund für diffuse Schmerzen sein kann. Übungen mit der Faszienrolle können helfen.
Der menschliche Körper ist wie eine Grapefruit. Zumindest was die Faszien betrifft. Wer die Frucht in der Mitte durchschneidet, erkennt weisse Häutchen, die das Fruchtfleisch in einzelne Schnitze einteilen, sowie eine weichere Haut, die die ganze Frucht umgibt und zusammenhält. Genau wie in unserem Körper: Ein dichtes Netz an weisslichen Fasern, das Bindegewebe, umhüllt Muskeln, Sehnen, Organe und andere Körperstrukturen.
Was sind Faszien?
Die Faszien durchdringen dabei den ganzen Organismus und verbinden alles miteinander. Ohne sie würde das Skelett in sich zusammenfallen.
Lange ging die Fachwelt davon aus, dass das Bindegewebe lediglich «totes» Füll- und Stützmaterial sei. Erst in jüngerer Zeit rückten die Faszien in den Fokus der Wissenschaft. Und damit die Erkenntnis, dass sie zahlreiche Rezeptoren aufweisen.
Faszien sind ein Sinnesorgan
Das heisst, sie nehmen Reize wahr und leiten diese weiter. Faszien sind also ein wichtiges Sinnesorgan, das ebenso für die Körperwahrnehmung wie für das Schmerzempfinden wichtig ist. Je nachdem, an welcher Körperstelle sich das Bindegewebe befindet, verändert sich seine Funktion und Beschaffenheit.
Die Fasern können die Zugfestigkeit von Stahl haben, aber auch weich und lose sein und sich um die doppelte Länge dehnen. Faszien polstern und schützen Organe, stabilisieren den Körper, übertragen Kraft und sind wesentlich an Bewegungsabläufen beteiligt. Ausserdem sind sie für den Zellstoffwechsel unentbehrlich.
Verklebungen führen zu Beschwerden
«Wer sich nicht bewegt, verklebt.» Mit diesem Satz bringt der Faszienforscher Robert Schleip die Schmerzthematik auf den Punkt. Studien haben gezeigt, dass die Kollagenfasern in den Faszien eine Art Gitterstruktur aufweisen. Je geordneter diese Struktur ist, desto geschmeidiger und funktionsfähiger ist das Bindegewebe.
Durch Alter, Verletzungen und körperliche Inaktivität wird die Struktur wirr und chaotisch. Solche Verfilzungen reduzieren die Elastizität des Bindegewebes, schränken die Bewegungsfähigkeit ein und verursachen Schmerzen. Besonders spannend: Faszien reagieren auf Stress. So legen neuere Forschungsergebnisse nahe, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Schmerzen im Bewegungsapparat und dem Gemütszustand gibt. Ausserdem verdichten sich die Hinweise, dass die grosse Rückenfaszie ein wesentlicher Grund für die weitverbreiteten Rückenschmerzen sein könnte.
Wie funktioniert Faszientraining?
Das ganzheitliche Faszientraining wurde von der internationalen Faszienforschung um Dr. Robert Schleip entwickelt und umfasst vier Säulen:
- Am bekanntesten ist die Eigenmassage des Bindegewebes mit der Schaumstoffrolle. Damit lassen sich vor allem Verklebungen im Gewebe lösen, und der Wassertransport im Gewebe wird gefördert.
- Die zweite Säule ist das dreidimensionale Dehnen mit vielen Winkelveränderungen.
- Die dritte Säule sind federnde Bewegungen, insbesondere durch Hüpfen sowie Hoch- und Runterschwingen des Oberkörpers. Diese eher schnellen Bewegungen stärken die Faszien.
- Bei der vierten Säule geht es um die generelle Verbesserung der Körperwahrnehmung. Es ist wichtig, den Körper zu spüren und sich intensiv auf die Bewegung zu konzentrieren, ohne nebenbei noch fernzusehen. Das gilt auch für die Eigenmassage mit der Rolle.
Trainingsvideo: Übungen mit der Faszienrolle
Um Verklebungen und Verspannungen zu reduzieren oder ihnen vorzubeugen, gibt es ein einfaches und effizientes Mittel: die Faszienrolle. Denn Faszien lieben Bewegung und Dehnung. Sie wollen gefordert und belastet werden. Genauso wichtig sind Druck und Zug.
Was bringen Übungen mit der Faszienrolle?
Durch das Rollen auf der Schaumstoffrolle oder dem Hartschaumball wird das Bindegewebe wie ein Schwamm ausgedrückt, worauf es sich mit frischer Gewebeflüssigkeit wieder auffüllt und erneuert. Dabei verhalten sich die Fasern wie verfilzte Haare: Zuerst ist es fast nicht möglich, diese durchzukämmen, nach mehrmaligen Durchgängen aber fallen sie wieder in eine Richtung. Auch die Fasern werden durch das Rollen wieder strukturiert und geordnet – und dadurch elastischer und geschmeidiger.
Für wen eignet sich die Faszienrolle?
Wer gesund ist, kann bedenkenlos sein Bindegewebe mit einer Faszienrolle massieren. Dazu rollt man langsam und mit gut dosiertem Druck mehrmals in unterschiedliche Richtungen oder verharrt punktuell für einen Moment auf einzelnen Stellen. Die Empfindung darf dabei nicht zu intensiv werden: Es sollte jederzeit möglich sein, entspannt zu atmen.
Auch was die Dauer und Häufigkeit des Faszientrainings betrifft, lautet die Daumenregel «Weniger ist mehr». Zweimal wöchentlich Rollen für rund zehn Minuten ist ausreichend, um die positiven Effekte zu spüren.
Worauf sollte man beim Faszientraining achten?
Für alle, die mit der Rolle arbeiten, gilt: Kein Hohlkreuz! Zudem sollten Menschen mit Venen- oder Lymph-Problemen, Thrombosen, Krampfadern, akuten Verletzungen sowie ältere Menschen, chronisch Kranke wie Rheumapatienten oder frisch operierte Personen nur nach Rücksprache mit einer Ärztin oder einem Arzt mit dem Faszientraining starten.
Welches ist die richtige Rolle?
Faszienrollen und -bälle gibt es in allen Grössen, Formen und Härtegraden. Wer neu mit dem Faszientraining beginnt oder ein eher weiches, empfindliches Bindegewebe hat, ist vermutlich mit der weicheren Variante wohler.
Rollen mit Noppen oder Rillen verstärken die Stoffwechselstimulation, kleinere Rollen sind für kleinere Körperpartien wie die Unterarme geeignet. Für den Rücken gibt es Rollen mit einer Rille in der Mitte sowie Doppelbälle, da durch die Aussparung die Wirbelkörper entlastet werden. Bälle und Kugeln eignen sich zur gezielten Behandlung einzelner Druckpunkte sowie der Brustmuskulatur, aber auch Tennis- oder Gummibälle erfüllen diesen Zweck.
Buchtipp
Das Buch «Faszien Fitness» von Robert Schleip bietet eine leicht verständliche Einführung in die komplexe Welt der Faszien. Mit zahlreichen Übungssequenzen für Anfänger sowie Sportler.