Frau liest Buch an einem See.
Dossier: Starke Psyche

Self-Care: Mit einfachen Tipps zu mehr Selbstfürsorge

Der Begriff Self-Care ist vor allem auf Social Media kein neues Phänomen. Doch was ist eigentlich Selbstfürsorge – ausser ein trendiges Schlagwort?

Text: Arthur Matthys; Foto: Sebastian Doerk

Was ist Self-Care?

Self-Care, auf Deutsch Selbstfürsorge, kannten schon die alten Griechen. Offenbar war es bereits in der Antike wichtig, sich neben Berufsleben und persönlichen Pflichten Zeit für sich selbst zu nehmen. Der Sinn dahinter: Zeit und Energie aufzuwenden, um sich selbst zu stärken und zu verbessern, um so wiederum die Herausforderungen des täglichen Lebens besser bewältigen zu können. Auch heute versteht man darunter den fürsorglichen Umgang mit der eigenen Psyche und dem eigenen Körper. Dazu zählen: die eigenen Bedürfnisse wahrnehmen sowie liebevoll und rücksichtsvoll mit sich selbst umgehen.

Die «3-2-1»-Methode

Alles schön und gut, aber wie setzt man Selbstfürsorge im stressigen Alltag um? Eine einfache Methode, um ins Thema «Self-Care» einzusteigen, ist die «3-2-1»-Methode. Dabei stehen die Zahlen dafür, wie oft man eine den eigenen Bedürfnissen entsprechende Tätigkeit am Tag ausführen soll. Ein Beispiel:

  • Dreimal während des Arbeitstags aufstehen und sich ein wenig bewegen
  • Zwei Gewohnheiten in den Alltag integrieren, die Freude machen – lesen etwa oder einen kurzen Spaziergang im Park machen
  • Eine Sache am Tag für den Körper tun. Beispielsweise ein Training im Sportverein, zur Lieblingsmusik tanzen oder einfach mal etwas früher ins Bett gehen

Wichtig dabei ist, dass die Tätigkeiten individuell passen. Nur weil Meditation Ihrer besten Freundin beim Entspannen hilft, muss dies nicht unbedingt auch auf Sie zutreffen. Vielleicht gehören Sie zu den Menschen, die Stress besser beim Sport oder Musizieren abbauen. Oder indem Sie einen Thriller lesen.

Einfache Tipps für mehr Selbstfürsorge

Dr. Walter Bierbauer, Oberassistent am Psychologischen Institut der Universität Zürich, erklärt, wie Self-Care funktioniert:

Bewegung

«Müsste ich der gesamten Bevölkerung eine einzige Self-Care-Übung verordnen, wäre dies Bewegung. Sie ist sowohl für den Körper als auch für die Psyche essenziell, da dabei unter anderem Glückshormone ausgeschüttet werden», so Walter Bierbauer. Wer im Büro am Computer arbeitet, sollte seine sitzende Tätigkeit also möglichst oft unterbrechen. Will heissen: kurz aufstehen, zur Kaffeemaschine und wieder zurück zum Arbeitsplatz spazieren. Wer ein Stehpult hat, sollte es mehrmals am Tag auch nutzen.

Soziale Interaktion

«Soziale Interaktion kommt häufig zu kurz, vor allem bei Personen im mittleren Alter, weil Familie oder Karriere Vorrang haben. Das Sozialleben ist aber ein wichtiger und wesentlicher Bestandteil einer gesunden Selbstfürsorge», meint der Experte. Regelmässige soziale Kontakte können dabei helfen, Stress abzubauen, das Selbstwertgefühl zu stärken und das Gefühl von Zugehörigkeit zu erhöhen. Freundschaften pflegen oder in einem Verein Anschluss finden, sind ein guter Anfang.

Hobbys

Auch Hobbys können das persönliche Wohlbefinden im Alltag steigern – das Lernen einer neuen Sprache oder eines Instruments etwa, Lesen oder das gemeinsame Kochen mit der Partnerin oder dem Partner. All das hilft, Abstand vom Alltagsstress zu gewinnen.

Sich Auszeiten gönnen

Unter der Woche Vollgas, am Wochenende oder im Urlaub die Batterien wieder aufladen. Das Problem dabei: Sobald der Alltag von Neuem beginnt, ist man wieder erschöpft. Der Grund ist simpel, wie Walter Bierbauer weiss: «Wir haben keine Batterie, die sich entleert und nach dem Urlaub wieder aufgeladen ist.» Deshalb ist es wichtig, erholsame Tätigkeiten in den Alltag zu integrieren.

Vorausplanen und clever kombinieren

Selbstfürsorge im Alltag priorisieren? Gar nicht so einfach, wenn Arbeitstermine und Familie einen höheren Stellenwert einnehmen. Daher kann es vor allem zu Beginn der eigenen Self-Care Journey helfen, Selbstfürsorge-Termine im Kalender einzutragen. «Diese Termine müssen nicht starr jeden Tag um die gleiche Zeit stattfinden», sagt Bierbauer. Viel wichtiger sei es, dass man sich überhaupt die Zeit für sich nimmt.

Dabei kann man sogar mehrere Self-Care-Methoden miteinander kombinieren. Das Feierabendbier unter Freunden beispielsweise mit einem Spaziergang um den See. «So verbinden Sie ganz nebenbei soziale Interaktion mit Bewegung», erklärt der Experte für Angewandte Sozial- und Gesundheitspsychologie.

Missverständnisse im Zusammenhang mit «Self-Care»

In den sozialen Medien werden Praktiken zur Selbstfürsorge oft wie Medikamente «verschrieben». Meditieren, Tagebuch führen, Achtsamkeit praktizieren: All das hilft vielen, sich ausgeglichener zu fühlen. Für einige sind solche Übungen jedoch eher eine Bestrafung und führen zu noch mehr Stress im Alltag.

Teil der Self-Care Journey ist es, genau das herauszufinden. Und manchmal dauert es etwas länger, bis man die Erholungstätigkeiten gefunden hat, die einem guttun. Davon sollte man sich aber nicht abschrecken lassen. Und: Erholung ist nicht gleich Entspannung. «Für viele bedeutet Erholung ein Schaumbad oder am Abend auf dem Sofa Serien schauen. Die Wissenschaft zeigt jedoch, dass effektive Erholung eher aktiv ist», so Bierbauer. Und er fügt an: «Entspannung ist nichts Schlechtes und hat durchaus ihre Berechtigung. Aktive Tätigkeiten versprechen aber einen grösseren körperlichen und geistigen Erholungseffekt.»

Über den Experten

Dr. Walter Bierbauer arbeitet als Oberassistent am Psychologischen Institut der Universität Zürich. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Themen Gesundheitsverhaltensänderungen sowie Stress- und Krankheitsbewältigung.  

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