Bore-out-Syndrom: Macht Langeweile krank?
Es ist das Gegenstück zum Burn-out: das Bore-out. Es beschreibt die anhaltende Langeweile und Unterforderung. Von diesem Zustand sind sehr viel mehr Menschen betroffen als vom Burn-out. Welche Warnsignale gibt es – und was kann man tun?
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Wussten Sie, dass sich fast jede dritte Person in der Schweiz am Arbeitsplatz unterfordert fühlt? Damit ist die Unterforderung viel stärker verbreitet als die Überforderung, schreibt der Verband Gesundheitsförderung Schweiz. Hält die Unterforderung an, kann das zu einem Bore-out führen.
Ein Zustand, der bis jetzt medizinisch kaum untersucht ist. «Das Bore-out gewinnt jedoch gesellschaftlich an Relevanz», sagt Katja Cattapan. Denn: Es zeichne sich ab, dass sich immer mehr Menschen in ihrem Beruf langweilen und sich unterfordert fühlen. Geht es nach der Chefärztin für Psychiatrie und Psychotherapie am Sanatorium Kilchberg, sollte die Forschung das zunehmende Phänomen dringend genauer anschauen.
Was ist das Bore-out-Syndrom?
Die Bezeichnung «Bore-out» leitet sich vom englischen Wort «to bore» (langweilen) ab. Zusammen mit dem «out» beschreibt es den Zustand des «Ausgelangweiltseins». Eine Situation, in der die anhaltende Langeweile unerträglich wird – und sich auf die körperliche und psychische Gesundheit auswirken kann.
«Das Bore-out gewinnt gesellschaftlich an Relevanz.»
Wie kommt es zur Unterforderung im Beruf?
Ist Bore-out eine anerkannte Krankheit?
Was ist der Unterschied zwischen Burn-out und Bore-out?
Symptome: Wie äussert sich ein Bore-out?
Wenn die Langeweile und die Unterforderung über längere Zeit anhalten, schwinden das Interesse und das Engagement der Betroffenen in ihrem Beruf. Oft kommt es dann zu einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die einen Teufelskreis auslösen: Einerseits wollen Betroffene von ihrer Arbeitsstelle weg, andererseits überfordert sie der Gedanke an einen Jobwechsel.
Hinzu kommen Strategien, um die Langeweile besser zu ertragen: Oft arbeiten diese Personen langsamer, um die Arbeit, die sie zu erledigen haben, zeitlich in die Länge zu ziehen. Das führt zu einem unguten Gefühl – weil man nicht mehr wirklich etwas leistet. Obwohl sich Bore-out-Betroffene anfangs vor allem langweilen, führen die genannten Faktoren im Zusammenspiel zu einer Stresssituation, die belastetend ist und zu einer lähmenden Ohnmacht führt, da kein Ausweg mehr in Sicht ist.
Das kann gesundheitliche Folgen haben. Zu den häufigsten körperlichen Symptomen zählen:
- Magen-Darm-Beschwerden
- Kopf- und Rückenschmerzen
- Verspannungen
- Müdigkeit
- Tinnitus
- Schwindelgefühle
- Infektionsanfälligkeit
Zu den psychischen Symptomen gehören:
- Antriebs- und Schlaflosigkeit
- Orientierungslosigkeit
- Konzentrationsstörungen
- Niedergeschlagenheit
- sozialer Rückzug
- starke Unzufriedenheit
- Gereiztheit
- Angstgefühle bis hin zu Panikattacken
Ursachen: Was verursacht ein Bore-out?
Die Ursachen für ein Bore-out sind komplex. Dazu braucht es mehr als anhaltende Langeweile im Beruf. Der Zustand des Bore-outs ist ein Wechselspiel einzelner Faktoren, die sich meist gegenseitig noch verstärken, sagen Expert:innen.
Zu diesen Faktoren zählen:
- Langeweile
- Unterforderung
- fehlende Identifikation mit dem Lebensinhalt (meistens mit der Arbeit)
- Desinteresse (in der Regel mangels Identifikation mit Beruf)
- Ratlosigkeit
- Sinneskrise
- Gefühl des Stillstands
Diese Faktoren füren zu einem «Entfremdungserleben», wie es die Psychiaterin Katja Cattapan nennt. Die Entfremdung zeige sich dadurch, dass die Verbundenheit mit sich selbst, mit der Welt, mit anderen Menschen, der Natur und der Arbeit verloren ginge.
Besonders in Bezug auf die Arbeit fühle sich das «Erleben» dann leer und sinnlos an. «Der Betroffene nimmt sich in seiner Arbeit als bedeutungslos wahr. Seine Arbeit spricht ihn emotional nicht mehr an», sagt Cattapan.
Warnsignale: Bin ich betroffen?
«Bore-out-Betroffene entwickeln häufig Strategien, welche die Unterforderung und Langeweile vertuschen sollen. Sie dehnen eigentlich schnell zu erledigende Tätigkeiten unnötig aus oder machen Überstunden, um vielbeschäftigt zu wirken», sagt Experte Philippe Rothlin.
So geraten Betroffene schnell in eine Negativspirale: Zum Beispiel wird vor den Kolleg:innen so getan, als sei man viel beschäftigt – dabei hat man nichts zu tun. Das sorgt für innerlichen Stress und belastet die Psyche. Auch die Langeweile verstärkt den Stress.
Diese Warnsignale deuten auf ein mögliches Bore-out hin:
Desinteresse und Langeweile
Frustration
Innerliche Kündigung
Schlechtes Arbeitsklima
Massnahmen: Was kann man gegen ein Bore-out tun?
Ein Bore-out ist keine Schicksalsbotschaft – sondern vielmehr ein Signal, dass Betroffene in ihrem Leben grundlegend etwas verändern sollten. «Der erste und wichtigste Schritt ist, sich dies zunächst selbst einzugestehen», sagt Psychiaterin Katja Cattapan.
Wer die Situation als solche erkenne und bereit sei, etwas in seinem Leben zu verändern, der habe mit den richtigen Massnahmen gute Chancen, wieder aus dem Bore-out herauszukommen.
Wege aus dem Bore-out:
Istzustand verbessern
Gespräch suchen
Sich beruflich neu orientieren
Werte und Ziele festlegen
Proaktive Fragen stellen
Neuen Fokus setzen
Katja Cattapan
Die Chefärztin am Sanatorium Kilchberg ist Professorin und Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Zudem ist Katja Cattapan Titularprofessorin an der Universität Bern. Klinischer und wissenschaftlicher Schwerpunkt ihrer Arbeit sind stressbedingte Erkrankungen, Depression und Angststörungen.
Philippe Rothlin
Der HR-Experte berät Firmen, wie sie ihren Mitarbeitenden ein möglichst gutes Arbeitsumfeld bieten können. Als Co-Autor hat Philippe Rothlin das Buch «Diagnose Bore-out: Warum Unterforderung im Job krank macht» verfasst. Er ist Geschäftsführer der Swiss Finance & Property Anlagestiftung und leitet den HR-Bereich der Swiss Finance & Property Group.