Sport bei Erkältung: Tun oder lassen?

Oft sind wir unsicher, ab wann wir uns nach einer Erkältung wieder sportlich betätigen können. Ein Selbstcheck hilft, auf den eigenen Körper zu hören – und gleichzeitig in Bewegung zu bleiben.

Text: Laurina Waltersperger; Foto: iStock

Wer kennt es nicht: Man liegt mit Fieber im Bett, die Nase läuft, die Glieder schmerzen. Ist das Gröbste bei einer Erkältung vorbei, sind wir oft unsicher, wann wir wieder mit sportlicher Bewegung starten können.

«Unser Körper gibt uns die nötigen Zeichen», sagt Claudio Nigg, Professor am Institut für Sportwissenschaft der Universität Bern. Um die Zeichen zu verstehen, müssen wir aber erst einmal unsere Symptome im Körper wahrnehmen. Nigg nennt dies den «Nacken-Check»: Werden Symptome oberhalb des Nackens – dazu zählen Schnupfen und Halsschmerzen – wahrgenommen und ist die betroffene Person fieberfrei, kann sie sich leicht bis moderat körperlich betätigen.  

«Bei einer leichten Erkältung tut frische Luft gut, da sie die Atmung fördert und dadurch die Durchblutung anregt.»
Claudio Nigg, Sportprofessor, Universität Bern

Liegen die Symptome unterhalb des Nackens, sollten Betroffene gänzlich auf Sport verzichten – das gilt für Erkältungssymptome wie Husten, Körper- und Gliederschmerzen oder Fieber. Sind wir von diesen Symptomen betroffen, rät Sportexperte Nigg zu folgender Faustregel: Wer zum Beispiel eine Woche mit Fieber und Husten im Bett liegt, sollte seinem Körper nach Abklingen der Symptome mindestens genauso lang – also eine Woche – Erholung gönnen. «Der Körper benötigt diese Regenerationszeit», sagt Nigg. Danach können Betroffene ihre sportlichen Aktivitäten wieder aufnehmen.

Leichte Aktivitäten bei einer Erkältung

Sowohl während einer leichten Erkältung als auch in der Erholungsphase nach einer stärkeren Erkältung empfehlen Expert:innen leichte bis moderate Bewegung. Dazu zählen Spazieren, Dehnen, Yoga, Tai-Chi und Low-Impact-Training wie leichtes Velofahren oder Tanzen. «Bei einer leichten Erkältung tut frische Luft gut, da sie die Atmung fördert und dadurch die Durchblutung anregt», sagt Sportprofessor Nigg. Hier gelte es jedoch darauf zu achten, sich warm genug anzuziehen. Gerade in den erkältungsförderlichen Wintermonaten sind die Temperaturen draussen tief – «wer zu lange draussen und nicht warm angezogen ist, läuft Gefahr, die Erkältung zu verschlimmern», sagt Nigg.

Leichte Bewegung unterstützt die Genesung. Besonders Dehnen hilft, in Bewegung zu bleiben – ohne sich dabei stark anstrengen zu müssen. Dehnungen öffnen den Brustkorb und unterstützen so auch die Belüftung der Lungen sowie eine vertiefte Atmung – Dinge, die den Heilungsprozess bei einer Erkältung fördern.

Erkältet zum Krafttraining?

Wer leicht erkältet ist, sollte in den ersten Tagen der Erkältung das Fitnessstudio meiden; auch wenn er oder sie sich eigentlich imstande fühlt zu trainieren. Der Grund: Sie können im Fitnessstudio andere Trainierende anstecken. Beim Sport im Fitnesszentrum ist es schwierig, die nötigen Hygienemassnahmen einzuhalten – etwa die Geräte nach Gebrauch ausreichend zu reinigen, das Husten zu unterdrücken oder die eigene Atmung zu regulieren.  

Joggen bei Erkältung

Immer wieder kommt auch die Frage auf, ob Joggen bei einer Erkältung ratsam ist oder nicht. «Bei einer Erkältung ist Joggen in der Regel eine zu hohe Belastung für den Körper», sagt Nigg. Wer jedoch nur einen leichten Schnupfen hat und sich sonst gut fühlt, kann auch im moderaten Bereich joggen. Wer sich nach einer Erkältung wieder besser fühlt und wieder joggen möchte, sollte behutsam einsteigen – das heisst eine kürzere Rennstrecke als gewohnt wählen und das Tempo gemässigt halten.

Wann erhöht Sport das Risiko für eine Herzmuskelentzündung?

«Die Forschung zeigt, dass das Risiko einer Herzmuskelentzündung für Menschen erhöht ist, die trotz schwerer Symptome wie Fieber oder starker Gliederschmerzen intensiv Sport treiben», sagt Nigg. Hier handelt es sich um Sportarten wie zum Beispiel Basketball, Eishockey oder Marathonlauf. Sie verlangen dem Körper in einem Moment, in dem ihm die Ressourcen fehlen, zu viel ab. Das kann schwerwiegende Folgen haben – beispielsweise eine Herzmuskelentzündung, aber auch Erkrankungen der Bronchien oder Nasennebenhöhlen. Nigg betont jedoch, dass auch in diesem Fall das Risiko einer Herzmuskelentzündung immer noch im tiefen Bereich liegt.

«Die Forschung zeigt, dass das Risiko einer Herzmuskelentzündung für Menschen erhöht ist, die trotz schwerer Symptome intensiv Sport treiben.»
Claudio Nigg, Sportprofessor, Universität Bern

Doch wie wird aus einer Erkältung eine Herzmuskelentzündung? Meist sind es Viren, die eine Erkältung verursachen. Der Körper versucht diese Eindringlinge mit einer intensiveren Aktivität des Immunsystems zu bekämpfen. Dieser Abwehrprozess führt oft zu erhöhter Körpertemperatur oder Fieber. Wer in diesem Zustand Sport treibt, hindert den Körper daran, die Viren zu bekämpfen – und belastet ihn zusätzlich. Hat der Körper also nicht ausreichend Ressourcen zur Verfügung, um die Viren zu bekämpfen, können sich die Schädlinge ausbreiten. Das Herz sowie das umliegende Gewebe – oft ist der Herzmuskel betroffen – liegen dabei sehr nahe an den virusbefallenen Atemwegen.

Eine Entzündung des Herzmuskels kann zu Herzrhythmusstörungen, einer Herzschwäche oder gar zum plötzlichen Herztod führen. Zu den Anzeichen für eine Entzündung des Herzmuskels zählen Abgeschlagenheit, Erschöpfung, Brustschmerzen, Atemnot bei Belastung, starkes Herzklopfen, «Herzstolpern» (Herzrhythmusstörung) oder Appetitlosigkeit.

Sport bei weiteren Erkrankungen

Gibt es auch eine Art «Selbstcheck», wenn etwa der Kopf schmerzt, die monatlichen Regelschmerzen bei Frauen stark sind oder man an chronischen Erkrankungen leidet? Erfahren Sie hier mehr dazu:

Kopfschmerzen

Wenn der Kopf schmerzt, gehen die Meinungen der Fachpersonen auseinander: Die einen raten von Sport ab, die anderen halten ihn – je nach Intensität der Kopfschmerzen – für möglich. «Die Forschung zeigt für beide Haltungen keine klaren Ergebnisse», sagt Sportwissenschaftler Claudio Nigg. Bei akuten Kopfschmerzen wie etwa Migräne rät er aber vom Training ab.

Bei erkältungsbedingten Kopfschmerzen – oft durch den Schleim in den Stirn- und Nebenhöhlen verursacht – sind Aktivitäten zu vermeiden, bei denen die Betroffenen sich nach vorne beugen. Dies verstärkt in der Regel den drückenden Schmerz. Hingegen sind Spaziergänge gut. Die frische Luft fördert die Atmung und hilft, den Schleim zu lösen.

Bei Spannungskopfschmerzen oder Druck im Kopf sind leichte Aktivitäten wie Dehnen, Yoga oder Spazieren möglich. Diese Kopfschmerzen sind oft stressbedingt. Die genannten Aktivitäten helfen, den Stress zu reduzieren.

Regelschmerzen

Sollten Frauen während ihrer Menstruation Sport treiben? «Unsere Forschung hat klar gezeigt, dass es für Frauen keinen Grund gibt, während des Zyklus nicht zu trainieren», sagt Claudio Nigg. Jedoch mache es Sinn, das Training dem eigenen Empfinden im Lauf des Zyklus anzupassen. Wenn ein intensives Training nicht möglich ist, können auch hier moderate Aktivitäten wie Dehnen, Yoga – ohne Kopfüberpositionen – oder Atemübungen hilfreich sein, um die krampfartigen Schmerzen zu lindern. Letztlich muss das aber jede Frau für sich selber entscheiden.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Auch bei chronischen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Leiden hilft Sport. «Hier empfehlen wir besonders High-Cardio-Aktivitäten wie Aerobic, Radfahren oder Schwimmen», sagt Nigg. Diese stärkten die Herzfunktionen.

Diabetes

Viele Menschen sind von Diabetes betroffen – aber auch sie können und sollten sportlich aktiv bleiben. Expert:innen empfehlen ihnen leichte Aktivitäten wie Dehnen oder Yoga sowie leichtes Krafttraining, um den Körper zu stärken.

Rückenschmerzen

Bei diesen Schmerzen ist Bewegung die beste Pille. Hier helfen gezieltes Rückentraining, Dehnen und Yoga. Aktivitäten mit viel Aufprall wie etwa Joggen gilt es bei Rückenschmerzen zu meiden.

Krebserkrankungen

Auch bei Krebs ist Bewegung möglich – und erst recht zentral, um den Verlauf der Krankheit positiv zu beeinflussen. Expert:innen empfehlen Aktivitäten, welche die Durchblutung fördern, Stress reduzieren und Mobilität sowie Beweglichkeit fördern. Dazu zählen Dehnen, Yoga, Spazieren oder leichtes Krafttraining.

Osteoporose

Bei Osteoporose helfen Kraft und Beweglichkeit, das heisst insbesondere Krafttraining, Dehnen, Wandern oder Nordic-Walking.

Über den Experten

Claudio Nigg ist Professor am Institut für Sportwissenschaft der Universität Bern. Er leitet die Abteilung für Gesundheits- wissenschaft und fokussiert seine Forschung auf Motivation und Verhaltensänderung im Sport.  

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