Dossier: Gesundes Herz

Herzinfarkt beim Mann: Das müssen Sie wissen

Ein Herzinfarkt kann tödlich enden – deshalb ist rasches Handeln wichtig. Und präventiv ein gesunder Lebensstil. Vor Allem für Männer, denn sie sind gefährdeter als Frauen.

Autorin: Anna Miller; Foto: iStock

Wir kennen ihn aus dem Fernsehen: den Moment, in dem der Mann sich plötzlich an die Brust greift und dann kurz darauf zusammenbricht. Es ist ein Moment des Schreckens – und für viele Männer eine Angst, die sie latent durchs Leben begleitet. Weil ein Herzinfarkt tödlich enden kann. Und weil man sich irgendwie ausser Kontrolle fühlt. Irgendwie, so wird uns vermittelt, kann er sich überall und jederzeit ereignen. Und jeden treffen. Stimmt das? Und was kann man tun, um einem Herzinfarkt vorzubeugen?

Thierry Carrel, der wohl bekannteste Herzchirurg der Schweiz, beschwichtigt: «90 bis 95 Prozent der Menschen, die rasch ins Spital eingeliefert werden, überleben einen Herzinfarkt.» In der Schweiz sind jährlich rund 30 000 Menschen von einem akuten koronaren Ereignis betroffen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind häufige Todesursachen und ernst zu nehmen. Doch zu bedenken gilt auch: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch, der kein Risikopatient ist, im Laufe seines Lebens einen Herzinfarkt erleidet, liegt bei unter 5 Prozent. Kurz: Herzinfarkte passieren. Doch mit guter Vorsorge, einem bisschen Achtsamkeit und regelmässiger ärztlicher Kontrolle müssen sie nicht zu einer Dauersorge werden.

Natürlich bleibe auch nach einem Infarkt häufig eine Narbe zurück, weil das entsprechende Gewebe abgestorben und vernarbt und somit für die Pumpkraft definitiv verloren sei, sagt Carrel, Professor für Herzchirurgie an der Universität Zürich. Ob sich das nach dem Infarkt aber bemerkbar macht, hängt vom Infarkt selbst und vor allem von seinem Schweregrad und der Lokalisation ab.

Herzinfarkt: Männer sind viel gefährdeter als Frauen

Männer trifft es dabei deutlich häufiger als Frauen. Das hat verschiedene Gründe. So gehen Männer seltener und später zum Arzt und haben vor allem in den vergangenen Jahrzehnten häufiger geraucht und stärker unter Stress am Arbeitsplatz gelitten. «Deshalb wird es sehr spannend sein, zu sehen, wie sich der Lebenswandel bei Mann und Frau – in Bezug auf die Arbeitsrollen und das Bewusstsein für die eigene Gesundheit – in den kommenden Jahrzehnten auf die Herzinfarktrate auswirken wird», sagt Carrel.

Frauen sind dabei von Natur aus bis ins mittlere Alter besser vor einem Infarkt geschützt als Männer. Wegen der Hormone. Das Östrogen im Körper der Frau hat eine schützende Wirkung auf die Herzgefässe und verlangsamt den Alterungsprozess der Herzwand. Testosteron hingegen wird oft in Zusammenhang mit einem erhöhten Herzinfarktrisiko gebracht, sagt Carrel. Er hat schon Herzinfarkte bei 30-Jährigen gesehen, aber dann waren nicht selten andere Risikofaktoren vorhanden, zum Beispiel eine familiär bedingte Hypercholesterinämie. Im Alter von 50 bis 60 Jahren steigt die Häufigkeit eines Infarktes dann bei Männern stark an.

Herzinfarkt bei Männern: Stress und ungesunde Ernährung sind häufige Ursachen

Vor allem die Art von Infarkt, die durch Risikofaktoren wie Stress und ungesunde Ernährung begünstigt wird, ist dann prädominant. Weil die Gefässe nun mal auch altern wie der Körper selbst, und auch das Herz leidet, wenn sich ein Mensch nicht genügend um seine Gesundheit kümmert. Auch wenn ein Infarkt nie ausgeschlossen werden kann, selbst bei der gesündesten Lebensführung nicht, kann man doch viel dafür tun, das Risiko zu minimieren: sich gesund ernähren, nicht rauchen, sich nicht aufregen, sich bewegen. «Es ist einfach, zu erkennen, ob ein Mensch ungesund lebt oder nicht», sagt Carrel.

Herzinfarkt-Früherkennung: Lieber früher zum Arzt als später – besonders ab 50

Daneben sei die familiäre Vorgeschichte ein weiterer Punkt, meint Carrel. «Es gibt auch eine genetische Komponente, die mit hineinspielt. Deshalb lohnt es sich, zu prüfen, ob in der Familie Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehäuft aufgetreten sind. Ab 50 Jahren macht ausserdem eine Check-up-Untersuchung durchaus Sinn», so der Experte. Sowieso gelte: lieber früher zum Arzt als später. Ein zentrales Element der Untersuchung ist dabei das Belastungs-EKG, das aufzeigt, wie das Herz unter Belastung reagiert. «Das ist kein abschliessender Wert, aber gut für eine erste Orientierung», sagt Carrel. 

Es gibt verschiedene Arten von Herzinfarkten

Denn nicht jeder Infarkt zuckt wie ein Blitz vom Himmel und zeigt sich dann so dramatisch wie im Film. «Das, was wir im Fernsehen sehen, ist der klinisch manifeste Herzinfarkt, bei dem die klassischen Symptome auftreten: starke Schmerzen im Brustbereich, Ausstrahlung in den linken Arm oder Kiefer, seltener in den Oberbauch.» Schmerzen, die nicht von sich aus wieder verschwinden. Die Schmerzen im akuten Fall können stechend bis dumpf sein – sie werden deutlich wahrgenommen und treten oft nach einer Belastung ein. Bei der sogenannten Angina Pectoris hingegen haben Betroffene einen spürbaren Brustschmerz, der sich anfangs jedoch nur bei grosser Belastung zeigt – und der im Ruhezustand wieder verschwindet. Wenn die Beschwerden im Ruhezustand nicht verschwinden, kann dies ein Alarmzeichen sein. Deshalb ist eine medizinische Abklärung bei Auftreten solcher Symptome immer ratsam.

Neben dem klinisch manifesten Infarkt und dem Angina-Pectoris-Anfall gibt es aber noch eine weitere wichtige Kategorie: den stummen Infarkt. Das Spezielle daran: Der Patient merkt nichts davon, weil meist eher kleinere Herzmuskelbereiche betroffen sind. Aber auch beim stummen Infarkt kann ein Teil des Herzmuskels aufgrund eines Gefässverschlusses absterben. «Oft wird erst bei einem EKG während eines Arztbesuchs festgestellt, dass ein Infarkt stattgefunden hat», sagt Carrel. Deshalb empfiehlt er, lieber einmal mehr zur Kontrolle zu gehen als einmal zu wenig. Auch für die Früherkennung. «Die langfristigen Gesundheitskosten für die Allgemeinheit sind um einiges höher, wenn ein Mensch nach einem Infarkt längere Zeit ausfällt, als wenn er sich ab und an einer Kontrolle unterzieht», sagt der Arzt.

Herzinfarkt bei Männern: Ein Stolpern muss noch nichts heissen

Dies auch um psychosomatische Faktoren ausschliessen zu können. Denn: Ein Stechen in der Brust aufgrund psycho-emotionaler Faktoren ist relativ häufig. Das Herz reagiert nun mal sensibel auf Stress. Und stolpert auch bei einem gesunden Menschen ab und an. «Rhythmusstörungen sind sehr häufig», sagt Carrel. «Der Stromkreis, der den Herzrhythmus reguliert, ist äusserst sensibel. Und er ist Stress, Emotionen, dem Wetter und etlichen anderen Faktoren ausgesetzt.» Herzrhythmusstörungen hätten viele Leute, ohne, dass sie je eine kardiologische Relevanz haben würden. Ein grosser Teil der Rhythmusstörungen seien nicht relevant, aber unangenehm. «Das kann natürlich Angst auslösen», sagt Carrel. Deshalb gilt auch hier: abklären und relevante Störungen ausschliessen. Und danach: ein paarmal tief durchatmen und sich ein Herz fassen, besser auf sich zu achten.

Über den Experten

Thierry Carrel, 63, ist Herzchirurg und Universitätsprofessor. Er leitete zwischen 1999 und 2020 die Klinik für Herz- und Gefässchirurgie des Inselspitals in Bern. Aktuell ist er Herzchirurg am Universitätsspital Basel und Professor für Herzchirurgie an der Universität Zürich.

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