Dossier: Gesundes Herz

Cholesterin: ein körpereigenes Multitalent

Es gibt Stoffe im Körper, die für vielerlei Funktionen verantwortlich sind – beispielsweise das körpereigene Cholesterin. Es ist ein wichtiger Baustein, der «gute» und «schlechte» Seiten hat.

Text: Abital Rauber; Foto: iStock

«Sie haben einen hohen Cholesterinspiegel»: Das hören in der Schweiz rund 12 von 100 Personen irgendwann einmal von ihrer Ärztin oder ihrem Arzt. Mit einem «hohen Cholesterinspiegel» ist der Wert des Gesamtcholesterins im Körper gemeint. Er ist der in der Schweiz neben dem Blutzucker wohl am häufigsten gemessene Blutwert. Ist er zu hoch, steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Arteriosklerose. Letztere ist eine Gefässerkrankung, bei der sich die Arterien durch krankhafte Ablagerungen verengen oder verhärten – mit möglichen Folgen wie Herzinfarkt oder Hirnschlag.

Cholesterin: Was ist das?

Zunächst einmal ist ein gesunder Organismus ohne Cholesterin gar nicht vorstellbar. Denn der körpereigene fettähnliche Stoff zirkuliert im Blut und ist vor allem für den Fettstoffwechsel notwendig. Er ist aber auch ein essenzieller Baustoff des Körpers, denn Cholesterin ist ein wichtiger Bestandteil jeder Zellwand und erhöht deren Elastizität. Zudem ist Cholesterin an der Herstellung von Hormonen und Vitaminen beteiligt und schleust Signalstoffe in die Zellen ein und wieder hinaus, zum Beispiel für den Stoffwechsel. Neuere Forschungen zeigen, dass der Körper Cholesterin auch zur Herstellung von herzstärkenden Botenstoffen nutzt. Produziert wird Cholesterin einerseits selbst durch die Leber, andererseits wird es durch die Ernährung aufgenommen.

Ist zu viel Cholesterin im Blut, spricht man von einem zu hohen Cholesterinwert oder medizinisch von Hypercholesterinämie – also mehr als die gesunden 140 Gramm, die ungefähr dem Gewicht eines Apfels entsprechen. Dabei gibt es zwei verschiedene Arten von Cholesterin – eine «gute» und eine «schlechte».

HDL und LDL: gutes und schlechtes Cholesterin

Da Fette nicht wasserlöslich sind, braucht es für deren Transport im Blut eine Art Container. Das sind die Lipoproteine. Lipo bedeutet so viel wie Fett, Proteine sind Eiweisse. Zwei Arten sind in Zusammenhang mit Cholesterin relevant:

  • High-Density-Lipoprotein mit hoher Dichte, auch HDL-Cholesterin genannt, gilt als «gutes» Cholesterin. Es transportiert das überschüssige Cholesterin zurück in die Leber und schützt vor Arteriosklerose.
  • Low-Density-Lipoprotein mit niedriger Dichte, auch LDL-Cholesterin genannt, gilt als «schlechtes» Cholesterin. Es transportiert das Cholesterin von der Leber zu den Zellen. Im Überschuss ist es schädlich für den Körper. Verbleibt zu viel LDL-Cholesterin im Blut, lagert es sich an den Innenwänden der Arterien ab. Dies führt zur Arteriosklerose mit Risiken für Herz und Gefässe.

Wie entstehen hohe Cholesterinwerte?

Im Allgemeinen sollte das Verhältnis des Gesamtcholesterins zum «guten» HDL einen Wert von 4:1 nicht übersteigen. In Schieflage gerät dieses Verhältnis durch unausgewogene, fettreiche Ernährung, Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes, Stress sowie einen Mangel an Mikronährstoffen und Bewegung. Daneben können auch Erkrankungen oder Erbfaktoren die Blutfettwerte in die Höhe treiben.

Bei der genetisch bedingten Familiären Hypercholesterinämie dagegen stören defekte Gene den Fettstoffwechsel bereits in jungen Jahren. Viel häufiger jedoch erhöht sich der Cholesterinspiegel erst im Alter. Man spricht dann von erworbenen Formen.

Ein erhöhter Cholesterinspiegel verursacht keine Symptome

Hohe Cholesterinwerte bemerkt man in der Regel nicht. Die Wahrheit bringt deshalb oft erst eine einfache Blutuntersuchung beim Arzt oder in einer Apotheke ans Tageslicht. Neben dem Cholesterinspiegel werden dabei auch die sogenannten Triglyceride untersucht. Das sind eine Art von Fetten oder Lipiden, die im Blut zirkulieren. Sie spielen eine Rolle bei der Risikobeurteilung von Blutgefässerkrankungen. Wie Cholesterin werden auch Triglyceride von Lipoproteinen im Blut transportiert.

Beschwerden durch hohes Cholesterin treten erst durch die Folgeschäden verengter oder verhärteter Arterien auf, die zu Durchblutungsstörungen führen; diese äussern sich beispielsweise in einer Verengung der Herzkranzgefässe (Angina pectoris) oder bei einem Verschluss des Gefässes in einem Herzinfarkt oder Hirnschlag.

Wie senkt man den Cholesterinspiegel?

Eine frühzeitige Therapie kann Folgeschäden vorbeugen. Ab 40 Jahren sollte man seinen Cholesterinspiegel regelmässig kontrollieren lassen. «Am besten alle zwei bis fünf Jahre», rät Dr. med. Marc Jungi, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin FMH bei Sanacare.

Nebst der Anpassung der Lebens- und Essgewohnheiten übernehmen cholesterinsenkende Medikamente, die Statine, eine präventive Rolle. Sie hemmen die Bildung von Cholesterin im Körper. Ein positiver Nebeneffekt: Statine wirken auch antientzündlich und helfen, Gefässverkalkungen vorzubeugen. Fortgeschrittene Stadien von Gefässverengungen oder -verstopfungen können endovaskulär, also innerhalb eines Gefässes, oder chirurgisch behandelt werden.

«Die Behandlung erfolgt in drei Schritten: 1. Situation verstehen, 2. Optimierungspotenzial evaluieren, 3. Patienten aufklären.»
Dr. med. Marc Jungi, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin FMH

«Die Behandlung erfolgt üblicherweise in drei Schritten», sagt Jungi. Schritt 1: Situation verstehen. Wie sieht der Lebensstil aus? Wie die Ernährung? Bestehen erbliche Vorbelastungen? Liegen weitere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor wie Diabetes, erhöhter Blutdruck, Nikotinkonsum? Schritt 2: Optimierungspotenzial evaluieren. Was kann selbst zur positiven Veränderung getan werden, beispielsweise Ernährungsanpassungen, Gewichtsabnahme, vermehrte Bewegung? Schritt 3: Patienten aufklären. «Nach den ersten drei Schritten gibt man den Patienten – bei insgesamt tiefem Risikopotenzial – mindestens ein halbes Jahr lang Zeit. Anschliessend wird mittels Blutwerten erneut überprüft, was durch die Optimierungshebel erreicht worden ist», schliesst Jungi ab.

Hausmittel und Massnahmen gegen einen erhöhten Cholesterinspiegel

Gegen zu hohe Cholesterinwerte ist leider kein Kraut gewachsen. Es gibt jedoch zahlreiche Möglichkeiten, das Ungleichgewicht im Körper auf natürlichem Weg anzugehen. Die vier wichtigsten sind:

Einnahme von Mikronährstoffen

Es gibt eine Reihe von Mikronährstoffen, die den Cholesterinwert positiv beeinflussen können. Alle diese Medikamente erhalten Sie rezeptfrei als Nahrungsergänzungsmittel in Apotheken und Drogerien. Besprechen Sie die Einnahme jedoch unbedingt vorab mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt. Eine Auswahl:

  • Omega-3-Fettsäuren: senken LDL, erhöhen HDL, entzündungshemmend
  • Vitamin C: senkt Homocystein, hilft, Blutgefässe zu reparieren
  • Vitamin B3: senkt LDL, erhöht HDL
  • Vitamin B6, B9 & B12: senken Homocystein, schützen die Blutgefässe
  • Chrom: erhöht schützendes HDL
  • Kupfer: erhöht schützendes HDL, verbessert den Sauerstofftransport
  • Vitamin D: senkt Triglyceride, erhöht HDL
  • Coenzym Q10: reduziert Medikamenten-Nebenwirkungen, verbessert Energieherstellung und die Funktion der Blutgefässe
  • Natürliche Antioxidantien: verringern oxidiertes LDL und minimieren Gefässschäden
  • Sekundäre Pflanzenstoffe: Flavonoide beispielsweise senken oxidiertes LDL (z.B. aus Trauben, grünem Tee), Curcumin hemmt Entzündungen

Quelle: naturheilkompass.de

Anpassung der Ernährung

Der Körper produziert 90 Prozent des Cholesterins selbst. Im Volksmund ist fälschlicherweise weitverbreitet, dass Cholesterin hauptsächlich durch die Nahrung aufgenommen werde. Sie trägt aber zu einem hohen Cholesterinspiegel bei. Die gute Nachricht: Auch kleine Veränderungen beim Essen können den Cholesterinspiegel positiv beeinflussen. Optimal wäre ein Verhältnis von 1:1 von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren. Beide sind ungesättigte Fettsäuren, die vor allem in Fischen, Nüssen und pflanzlichen Ölen vorkommen, etwa in Avocados oder Olivenöl.

In Fleisch, Eiern und Milch von Nutztieren ist das Verhältnis von guten und schlechten Fetten dagegen nicht ideal. Grund dafür ist die Fütterung mit Kraftfutter auf Getreidebasis anstatt auf Basis von Grünpflanzen. Es empfiehlt sich deshalb, bei tierischen Lebensmitteln auf Bioprodukte zu setzen.

Die industriellen Fettsäuren sind eine weitere Einflussgrösse bei der Regulation des Cholesterins. Diese sogenannten Trans-Fettsäuren stecken vor allem in Fertigprodukten, in frittierten und gebratenen Lebensmitteln oder industriell gehärteten Fetten wie Margarine. Diese gilt es möglichst zu meiden.

Auch ein konstantes Zuviel von Kohlenhydraten, also getreidehaltigen Sattmachern wie Brot, Gebäck oder Nudeln, ist verantwortlich für zahlreiche negative Veränderungen im Stoffwechsel.

Einfluss von Alkohol und Koffein

Im Fall von hohen Cholesterinwerten ist Alkohol nicht ratsam, weil Alkohol sowohl das (schlechte) LDL-Cholesterin erhöht als auch die Triglyceride. Ähnlich verhält es sich mit Kaffee: Bestimmte Inhaltsstoffe hemmen Enzyme, die in der Leber für den Abbau von Cholesterin erforderlich sind.

Geheimtipp grüner Tee

Bei vielen Gesundheitsthemen gibt es geeignete «Hausmittel». Ein Geheimtipp ist grüner Tee. Er hat eine Vielzahl von herzschützenden Eigenschaften: Er senkt den Cholesterinspiegel, indem er Enzyme hemmt, die zur Herstellung von Cholesterin benötigt werden. Grüner Tee erschwert ausserdem die Aufnahme von Fetten im Darm sowie den Einbau von Cholesterin in die Gefässwände und wirkt so einer Arterienverkalkung entgegen.

Ballaststoffe für den Stoffwechsel

Lösliche Ballaststoffe in Obst und Gemüse wirken cholesterinsenkend. Insbesondere Äpfel und Birnen unterstützen den gesunden Abbau von Cholesterin im Darm. Dies ist vor allem beim Frühstück praktisch nachvollziehbar: Dabei wird das über Nacht in der Gallenblase gespeicherte Cholesterin ausgeschüttet. Wenn dieses nicht durch die Ballaststoffe des Frühstücks gebunden und dann ausgeschieden wird, gelangt es zum grössten Teil wieder ins Blut. Wissenschaftlich bewährt haben sich Flohsamen oder Haferkleie.

Tägliche Bewegung

Der Körper ist auf regelmässige, moderate Bewegung angewiesen. Die 10 000 Schritte am Tag sind ein guter Orientierungspunkt. Wer zusätzlich einmal pro Woche Sport treibt, senkt dadurch die Körperfettwerte und erhöht zusätzlich das gute HDL deutlich.

Daneben beugt Sport Herz-Kreislauf-Krankheiten vor. Denn ein gutes Fitnesslevel senkt den Blutdruck. Zudem baut Bewegung Stress ab und wirkt antidepressiv. Entspannungstechniken wie Yoga, Tai-Chi oder Muskelentspannungsübungen senken den Stress zusätzlich.

Die beiden Optimierungshebel Ernährung und Bewegung zusammen bewirken innert kürzerer Zeit eine positive Wirkung: Schon nach zehn Tagen sind Veränderungen beim «guten Cholesterin» messbar.

Ausreichend Schlaf

Schlafmangel bringt den Biorhythmus aus dem Takt und beeinflusst so die Nahrungsaufnahme, den Fettstoffwechsel und die Hormonausschüttung.

Über den Experten

Dr. med. Marc Jungi ist Facharzt für Allgemeine Innere Medizin FMH in der Gruppenpraxisorganisation der Sanacare. Er ist Leiter des Fachbereichs Medizin der Sanacare AG mit 22 Gruppenpraxen in der Schweiz und arbeitet als Hausarzt in der Gruppenpraxis Bern.

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