Dossier: Gesundes Gehirn

Hirnblutung: Und plötzlich ist alles anders

Die Hirnblutung ist ein stiller Angreifer, der ohne Vorwarnung zuschlägt und das Leben binnen Sekunden verändert. Durch plötzliche Blutungen im Gehirn, oft verursacht durch chronische Erkrankungen wie Bluthochdruck, sind besonders ältere Menschen gefährdet.

Text: Nicole Krättli; Foto: iStock

Es passiert plötzlich, oft ohne jegliche Vorwarnung – ein kleines Blutgefäss im Kopf platzt. Blut, das den Körper normalerweise am Leben hält, wird zum gefährlichen Angreifer, der sich seinen Weg durchs Gehirn bahnt. Jedes Jahr erleiden allein in der Schweiz 2000 bis 3000 Menschen eine Hirnblutung. Mehr als 80 Prozent dieser Vorfälle entstehen aus dem Nichts. Die Betroffenen empfinden davor häufig keine Schmerzen, können keine Warnsignale identifizieren. Doch innert weniger Sekunden verändert sich ihr Leben – geht im schlimmsten Fall gar zu Ende.

Ursachen: Bluthochdruck als grösster Risikofaktor für Hirnblutungen

Die Ursachen einer Hirnblutung sind vielfältig. So können etwa chronische Vorerkrankungen wie Bluthochdruck oder Arteriosklerose dazu führen, dass die Wände der Blutgefässe schwach und anfällig für Risse werden. Beim Wort Hirnblutung handelt es sich denn auch um einen Überbegriff, der verschiedene Krankheitsbilder umfasst. Mediziner:innen unterscheiden zwischen mehreren Formen von Blutungen innerhalb des Schädels:

Intrazerebrale Blutung

Bei einer intrazerebralen Blutung gelangt Blut ins Gehirn. Das kann durch Bluthochdruck in Kombination mit Arteriosklerose ausgelöst werden, in deren Folge ein Blutgefäss im Gehirn reisst und eine Blutung im Hirngewebe verursacht.

Subarachnoidale Blutung

Eine Subarachnoidalblutung tritt unterhalb der mittleren Hirnhaut auf und kann einen Schlaganfall zur Folge haben. Schätzungen zufolge werden rund 5 Prozent aller Schlaganfälle durch eine Subarachnoidalblutung verursacht.

Epidurale Blutung

Bei einer epiduralen Blutung sammelt sich Blut über der harten Hirnhaut an. Die häufigste Ursache für diese Art von Gehirnblutungen ist eine traumatische Einwirkung von aussen – zum Beispiel ein Unfall.

Subdurale Blutung

Bei einer subduralen Blutung sammelt sich Blut unterhalb der harten Hirnhaut an. In der Regel wird diese Art von Blutung durch eine äussere Gewalteinwirkung wie zum Beispiel das Aufprallen des Kopfes bei einem Sturz ausgelöst, die Blutgefässe zum Reissen bringt.

Ein Risikofaktor insbesondere für intrazerebrale Blutungen ist das Alter. Gemäss dem Schweizerischen Hirnschlagregister sind Hirnblutungspatienten im Durchschnitt 72 Jahre alt und in 55 Prozent der Fälle männlich.

Der wichtigste Risikofaktor für eine Hirnblutung ist allerdings ein langjähriger Bluthochdruck, erklärt Prof. Dr. med. Nils Peters, Facharzt für Neurologie und ärztlicher Leiter des Stroke Centers der Klinik Hirslanden Zürich. Der anhaltende Stress, den Bluthochdruck auf die kleinen Gehirngefässe ausübt, kann diese schwächen und anfällig machen. Steigt der Blutdruck abrupt an, kann eine geschwächte Arterie platzen und so den Weg für den Blutfluss ins Gehirn freigeben.

Umso wichtiger ist es, den Blutdruck langfristig gut zu kontrollieren und, falls nötig, medikamentös einzustellen. Auch bestimmte Medikamente, insbesondere Blutverdünner, können die Schwere einer Hirnblutung beeinflussen. Wenn eine Arterie reisst und das Blut dünner ist als normal, kann die Blutung länger andauern und sich schneller ausbreiten. «Daher ist es wichtig, dass Menschen, die Blutverdünner einnehmen, dies nur aus triftigem Grund tun, insbesondere wenn sie unter Bluthochdruck leiden», so Peters weiter. 

Symptome: von Sehproblemen bis zu Lähmungserscheinungen

Die Symptome einer Hirnblutung variieren je nach Art, Ort und Ausmass der Blutung und können entsprechend unterschiedlich ausfallen. Was aber alle Formen von Hirnblutungen eint, ist die Dringlichkeit, mit der sie behandelt werden müssen. Neurologe Nils Peters rät deshalb dazu, sofort einen Notfallarzt zu kontaktieren oder zum nächstgelegenen Stroke Center oder zur nächstgelegenen Stroke Unit zu fahren, wenn Sie eines oder mehrere der folgenden Symptome feststellen:

  • Plötzlicher Schwächeanfall oder Lähmungserscheinungen auf einer Körperseite
  • Plötzliche Taubheitsgefühle auf einer Körperseite
  • Sprach- oder Sprechstörungen
  • Sehprobleme wie Doppelbilder, verschwommenes Sehen, vorübergehender Sehverlust auf einem Auge oder Gesichtsfeldausfall auf einer Seite
  • Erweiterte Pupillen
  • Schwindel, Unsicherheit beim Gehen, Balance- oder Koordinationsprobleme
  • Plötzlich einsetzende, heftige Kopfschmerzen, gegebenenfalls mit Übelkeit und Erbrechen
  • Plötzliche Veränderung des Bewusstseins, von Verwirrtheit und Benommenheit bis hin zu Bewusstlosigkeit und Koma

Behandlung: Jede Minute zählt

In der Notaufnahme des Zentrums wird zunächst sichergestellt, dass die Vitalparameter des Patienten oder der Patientin stabil sind. «Es folgt eine schnelle neurologische Untersuchung, um die Symptome zu erfassen und den Schweregrad der Erkrankung zu bestimmen», erläutert Nils Peters. Zusätzlich werde rasch der Blutdruck kontrolliert und festgestellt, ob eine Blutverdünnung vorliegt. Es folgt eine bildgebende Untersuchung des Gehirns, meist eine Computertomografie, um sofort festzustellen, ob es sich tatsächlich um eine Hirnblutung oder eher eine Durchblutungsstörung des Gehirns (ischämischer Hirnschlag) handelt. 

«In diesem Fall ist es wichtig, den gegebenenfalls erhöhten Blutdruck schnellstmöglich medikamentös zu senken, um so das Fortschreiten der Blutung zu stoppen», so Peters weiter. Abhängig von der Lage und dem Ausmass der Hirnblutung ist eine Operation nötig, um das Volumen der Einblutung zu reduzieren, da durch diese sekundäre Schädigungen des Gehirns entstehen können, und gegebenenfalls das angestaute Hirnwasser abzulassen und somit den Hirndruck zu senken.

Handelt es sich um eine eher oberflächlich liegende Blutung, lässt sich das heute minimalinvasiv machen. «Insbesondere dann, wenn die Blutung aber tief im Gehirn sitzt, ist eine operative Therapie oftmals nicht angezeigt. Es handelt sich insgesamt um komplexe Entscheidungen, die von verschiedenen Fachspezialist:innen unter Berücksichtigung zahlreicher Faktoren getroffen werden müssen», so Peters weiter. 

Die Dauer der Behandlung hängt dann vom Schweregrad und von der Art der Operation ab. Patient:innen, die konservativ behandelt werden, bleiben in der Regel einige Tage auf der Überwachungsstation, wo ihr Blutdruck und weitere vital relevante Parameter präzise überwacht und eingestellt werden können. Danach werden sie auf die Station verlegt und anschliessend häufig in die Rehabilitation überführt.

Leben nach einer Hirnblutung

Die Gefahr ist damit aber nicht gebannt. Denn die Blutung kann weiter voranschreiten und das Gewebe beschädigen oder es kann eine weitere Blutung auftreten. Entsprechend hoch ist denn auch die Sterblichkeitsrate in den ersten drei Monaten – sie liegt bei über 25 Prozent. Die Aussichten auf Genesung und die Prognose sind von verschiedenen Aspekten abhängig. Hierzu gehören der Ort und das Ausmass der Blutung sowie vorliegende Grundkrankheiten und das Alter der Patient:innen. 

Um die Gefahr und das Risiko so stark wie möglich zu reduzieren, ist die medizinische Betreuung nach einer Hirnblutung extrem wichtig, wie Experte Peters erklärt. «Nach einer schnellen und professionellen Behandlung direkt nach einer Hirnblutung ist auch die sogenannte Sekundärprävention enorm wichtig, bei der Medikamente in den Folgemonaten und -jahren optimal eingestellt werden, um insbesondere den Blutdruck zu senken und somit das Risiko einer erneuten Blutung zu verringern.» 

Ebenso wichtig ist die Rehabilitationsphase, in der allfällige geistige und körperliche Folgeschäden therapiert oder behoben werden, um sich so auf ein Leben mit möglichen Langzeitfolgen vorzubereiten. In einer Fachklinik wird ein Reha-Team bestehend aus Ärzt:innen, Krankengymnast:innen und Therapeut:innen für Sprache und Ergotherapie einen individuellen Behandlungsplan zusammenstellen. «Je früher, desto besser» gilt nicht nur bei der Behandlung einer akuten Hirnblutung, sondern auch bei der Rehabilitation danach. 

Ein Teil der Rehabilitation konzentriert sich in der Regel auf die körperlichen Funktionen. So können beispielsweise Bewegungsstörungen auftreten, die man durch spezielle Trainingsverfahren behandelt. Doch eine Hirnblutung kann auch Sprache, Sicht, Gedächtnis und Aufmerksamkeit beeinträchtigen. Hier setzt die Rehabilitation an und versucht diese Fähigkeiten durch gezielte Übungen wieder zu stärken. Zudem wird in der Reha die Selbstständigkeit gefördert, da manche Betroffene alltägliche Tätigkeiten wie Waschen, Anziehen oder Kochen neu erlernen müssen.

Eine Hirnblutung ist zweifellos eine schwerwiegende Erkrankung. Doch mit gezielter Rehabilitation und Nachsorge, einem engagierten medizinischen Team und der Unterstützung von Angehörigen können viele Patient:innen Schritt für Schritt in ein selbstbestimmtes Leben zurückfinden.

Bluthochdruck als grosser Risikofaktor

Bluthochdruck ist eine weitverbreitete Erkrankung, die unbehandelt zu ernsthaften gesundheitlichen Folgen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenschäden sowie Schlaganfällen und Hirnblutungen führen kann. Glücklicherweise gibt es viele effektive Massnahmen, die Sie ergreifen können, um hohen Blutdruck zu verhindern und zu behandeln.

Die Risikofaktoren für Bluthochdruck sind vielfältig und umfassen Lebensstilfaktoren wie Rauchen, eine ungesunde Ernährung, mangelnde körperliche Aktivität und Stress. Aber auch das Alter, die familiäre Veranlagung und bestimmte Vorerkrankungen wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Probleme erhöhen das Risiko.

Sowohl bei der Prävention als auch bei der Behandlung von Bluthochdruck steht die Lebensstiländerung an erster Stelle: Eine gesunde, ausgewogene Ernährung, regelmässige Bewegung, Rauchstopp und Stressabbau sind grundlegende Massnahmen zur Senkung des Blutdrucks.

In manchen Fällen können aber auch blutdrucksenkende Medikamente notwendig sein, besonders wenn der Blutdruck trotz Änderungen des Lebensstils hoch bleibt. Wenn Sie bereits ein erhöhtes Risiko aufgrund von Grunderkrankungen haben, sollten Sie diese behandeln lassen und sich gesundheitsfördernde Gewohnheiten aneignen. Nehmen Sie den Bluthochdruck in jedem Fall ernst und lassen Sie sich von einer Fachperson beraten.

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