Dossier: Ernährung

Böses Gluten: Was ist Zöliakie?

Für Menschen mit Zöliakie sind Brot, Pizza und Pasta eine Gefahr für ihre Gesundheit. Denn diese Lebensmittel enthalten Gluten. Wie gehen Betroffene am besten damit um?

Text: Julie Freudiger; Foto: iStock

Seit in den Regalen der Supermärkte immer mehr glutenfreie Produkte stehen, kommt öfter die Frage auf: Was ist Gluten? Alles nur ein Trend? «Gluten ist ein Klebereiweiss, das in verschiedenen Getreidesorten vorkommt: in Weizen, UrDinkel und Dinkel, Gersten, Roggen und auch älteren Getreiden wie Einkorn und Kamut», erläutert Sabina Raschle. Die Ernährungsberaterin SVDE ist im Ernährungszentrum Zürich tätig und auf glutenfreie Ernährung und Zöliakie spezialisiert. 

In der Schweiz leiden rund 1 Prozent der Bevölkerung an der Autoimmunerkrankung Zöliakie. Bei ihnen führt Gluten zu einer Entzündung im Dünndarm, wodurch die Darmschleimhaut geschädigt wird. Der Körper kann nicht mehr genug lebensnotwendige Nährstoffe aufnehmen. Viele Betroffene, die an einer unentdeckten Zöliakie leiden, weisen gravierende Nährstoffmängel wie zum Beispiel einen Mangel an Eisen, Vitamin B12 oder Calcium auf. Letzterer kann gar zu einer reduzierten Knochendichte führen. 

Welche Lebensmittel enthalten Gluten?

Zöliakie-Betroffene müssen also alle Lebensmittel meiden, die glutenhaltige Stoffe enthalten. Prominente Beispiele sind herkömmliches Brot, Pizza, Kuchen und Pasta. Aber es gibt auch zahlreiche Lebensmittel auf der Glutenliste, die überraschen: Ovomaltine, Bier, Sojasauce, Beutelsuppen und einige Bouillonsorten enthalten ebenfalls das Klebereiweiss. Auch bei Haferflocken ist der Griff nach der glutenfreien Variante unerlässlich. Denn obwohl Hafer eigentlich glutenfrei ist, finden sich in handelsüblichen Haferflocken meist Spuren davon. 

Ein zuverlässiger Indikator für glutenfreie Produkte ist das Glutenfrei-Label. Da sich aber die durchgestrichene Ähre in einem Kreis nicht auf jedem glutenfreien Lebensmittel findet, müssen Betroffene die Zutatenliste eines jeden Produkts genau studieren. «Das ist zu Beginn nicht ganz einfach, es braucht Zeit und Übung», weiss Raschle. Die glutenfreie Ernährung sei generell eine Herausforderung. «Oft fehlen in diesen Produkten Nahrungsfasern und Nährstoffe, die wichtig für die Verdauung sind.» Dennoch können glutenfreie Pizza oder glutenfreies Brot eine willkommene Abwechslung sein. Raschles Tipp: «Nüsse und Kerne enthalten viele Nährstoffe und Nahrungsfasern. Wer sie zusätzlich auf die Gerichte gibt, holt viel heraus.»

«Kein Brot, keine Milch – dieser Verzicht fällt mir leicht»

«Bis Mitte 2014 konnte ich – trotz einer Glutenintoleranz in meinen fünf ersten Lebensjahren – problemlos Brot und Pasta essen. Dann war das plötzlich vorbei: Ich bekam einen stark juckenden Ausschlag an mehreren Körperstellen. Deshalb habe ich glutenhaltige Lebensmittel wieder weggelassen. Ein Zentrum für interdisziplinäre Medizin bestätigte mir später, dass ich eine starke Glutenintoleranz habe. Auf Gluten zu verzichten, fällt mir mittlerweile nicht mehr schwer. Dasselbe gilt für Milchprodukte, auf die ich wegen meiner Laktoseunverträglichkeit seit rund 20 Jahren verzichte. Ohne Butter, Milch und Käse zu leben, war am Anfang eine Herausforderung. Mir war es manchmal unangenehm, ein ‹Spezialmenü› bestellen zu müssen. Das ist heute dank der vielen pflanzlichen Alternativen anders, mein Ernährungsalltag hat sich grundlegend verändert. Seit drei Jahren lebe ich nun komplett vegan und mir geht es gesundheitlich besser denn je.»

Philipp Walser, Glutenintoleranz und Laktosesensitivität

Von Natur aus glutenfreie Lebensmittel

Wichtig ist eine ausgewogene Ernährung. Von Natur aus glutenfreie Nahrungsmittel sind etwa Polenta, Quinoa, Kartoffeln, Reis, Mais, Buchweizen, Amaranth, Hirse, Teff und Hülsenfrüchte. Kombiniert mit unverarbeiteten Lebensmitteln wie Eiern, Milchprodukten, Fisch, Fleisch, Tofu, Gemüse, Früchten und Pflanzenölen ergeben sich ausgewogene Menüs. 

Da sich einem dieses Wissen nicht von alleine erschliesse, sei eine Ernährungsberatung wichtig, betont Raschle. Auf der Website der Fachgruppe Zöliakie werden diejenigen Mitglieder des Schweizerischen Verbandes der Ernährungsberaterinnen und -berater aufgelistet, die eine Zöliakie-Spezialisierung mitbringen. Auch die Website der IG Zöliakie der Deutschen Schweiz ist eine gute erste Anlaufstelle für Betroffene.

Diagnose, Symptome und Behandlung von Zöliakie

Die Zöliakie-Symptome reichen von typischen Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall, Verstopfung, Übelkeit, Erbrechen, Blähungen und Bauchschmerzen bis zu Müdigkeit, Kopfschmerzen, Blutarmut oder unerklärbarem Gewichtsverlust.

Wegen der breiten Palette an Krankheitsbildern dauert es oft lange, bis Betroffene eine Diagnose erhalten. Zweifelsfrei feststellen lässt sich Zöliakie nur mittels einer Blutprobe und – wenn entsprechende Antikörper gefunden werden – einer Magenspiegelung. «Von Selbsttests rate ich stark ab. Das Resultat ist nicht verlässlich», warnt Raschle.

Und was passiert nach der Diagnose? Die einzige, dafür aber sehr wirksame Behandlung bei Zöliakie ist eine glutenfreie Ernährung. Die Expertin beruhigt: «Sofern sich Betroffene an eine absolut glutenfreie Diät halten, erholt sich die Darmschleimhaut wieder vollständig.»

Keine Zöliakie, aber verwandt

Nicht Zöliakie-bedingte Weizensensitivität
Bei Betroffenen setzen die Reaktionen einige Stunden bis Tage nach dem Verzehr von glutenhaltigen Lebensmitteln ein. Bei einer nicht Zöliakie-bedingten Weizensensitivität sind die Symptome vielfältig und reichen von Magen-Darm-Beschwerden über chronische Müdigkeit bis hin zu Kopfschmerzen. Anders als bei der Zöliakie bleibt der Darm bei der nicht Zöliakie-bedingten Weizensensitivität intakt. Eine Diagnose erfolgt durch Ausschluss von Zöliakie und Weizenallergie. 

Weizenallergie
Bei der Weizenallergie ist der Allergieauslöser nicht das Gluten, sondern es handelt sich um andere im Weizen enthaltene Proteine. Die Symptome reichen von Juckreiz und Rötungen bis zu Atemnot. Vor allem Kinder sind davon betroffen, in der Pubertät klingt die Weizenallergie meistens ab. 

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